Der Winter war diesmal besonders lang und unschön. Ich habe es aber geschafft, mir in der zweiten Märzhälfte 5 Tage am Stück von allen Verpflichtungen freizuhalten. Wohin soll es gehen? Eine längere Anreise lohnt für die kurze Zeit nicht, also brauche ich einen Startpunkt, der sich brauchbar und flott mit der Bahn erreichen lässt. Ich stelle fest, dass es Sonntag Vormittag einen Zug gibt, der in Mannheim hält, und entwickle spontan ein Verlangen auf Pfälzer Saumagen und Pfälzer Mandelblütenpfad. Außerdem habe ich noch ein paar hübsche hessische Fachwerkstädtchen wie Marburg, Schlitz oder Wetzlar auf meiner Mal-übernachten-Liste, die ich mir gern anschauen würde. Ich nehme mir als Ziel Erfurt vor, weil das nur einen ICE-Stop von daheim entfernt ist. Meine Wunschübernachtungen verbinde ich so zu einer Route, dass dazwischen immer ca. 100km liegen, um Appetit fürs Abendessen zu bekommen ;-)
Meine tatsächliche Reiseroute ist hier dargestellt. Die gelben Punkte zeigen meine Übernachtungsorte an.
Bloß kein Stress. 11 Uhr losfahren reicht völlig.
Weil ich der Bahn nicht mehr viel traue, und schon gar nicht der Ost-West-Achse Richtung Frankfurt, habe ich eine Zugverbindung ohne Umsteigen ausgesucht. Wunderbarerweise komme ich pünktlich in Mannheim an :-)
Nach einer halben Stunde bin ich aus Mannheim heraus, und kann den Pfälzer Wald sehen - endlich mal wieder! Deidesheim voraus.
Ab Deidesheim nehme ich den Mandelblütenpfad Richtung Bad Dürkheim. Als ich Gelächter und Gläserklirren höre, biege ich direkt ab und lande in einer gemütlichen Weinstube am Waldrand. Leberknödel und Riesling - hachja, die Pfalz, genau so habe ich mir das vorgestellt :-D
Meine Übernachtung ist heute in Bad Dürkheim. Im Riesenfass habe ich schon mal gegessen und fand es ok.
In meiner gebuchten Unterkunft, der Marktschänke, hatte ich ebenfalls schon mal gegessen, als ich noch in Karlsruhe wohnte -- hier ist das Essen phantastisch! Bin ein bisschen euphorisch (und bald auch deutlich angeheitert^^).
50km und 220 Höhenmeter, 8 Grad, wolkig, drei Regentropfen.
Der Tag heute ist unerwartet warm, sonnig und gegenwindig. Ich will dem Weinsteig bzw. Mandelblütenpfad heute bis Bockenheim folgen und dann über Alzey nach Rüdesheim.
Zuerst geht es mal zur Michaelskapelle über Bad Dürkheim hinauf, und dann auf dem Weinsteig weiter. Alles blüht! So ganz anders als daheim, wo noch fast alles grau ist. Bin trotz eines leichten Katers von gestern gerade sehr gut gelaunt.
An den teilrekonstruierten Resten des römischen Weinguts "Weilberg" gibt es den ersten Photostop. Die Aussicht ist super!
Da hinten ist Mannheim und Ludwigshafen. Sieht von weitem gar nicht so schlimm aus ;-)
Die Gegend mit ihren unendlich vielen Mandelbäumchen gefällt mir wirklich sehr! Auf genau so etwas habe ich gehofft! Ich mache viele Fotos von rosa Blüten und kaufe mir im nächsten Dorf Sonnencreme, die ich bei der Wettervorhersage nicht eingepackt hatte.
Alzey selber ist eher, naja. Kleine Burganlage, dickes Pferd auf dem Marktplatz, keine offene Einkehr, ringsum 20km monotone Wein-Monokultur-Monotonie ohne Baum oder Strauch... Das nächste Mal fahre ich lieber wieder über Worms ;-)
Hinter Alzey haben viele Weingüter Wein-Automaten aufgestellt. Leider nur große Pullen -- ich möchte ja heute noch weiter...
Ab Wörrstadt wird auch die Landschaft wieder etwas abwechslungs- und steigungsreicher.
Bei Sprendlingen steht dieser optische Telegraf weithin sichtbar auf einem Hügel. Jede Stellung der Arme steht für einen Buchstaben, und die Arme sind auf dem Hügel so gut zu sehen, dass man diese optischen Telegrafen in enem Abstand von 12km aufgestellt hat.
Bei Bingen komme ich am Zusammenfluss von Nahe und Rhein heruas. Mein Tagesziel Rüdesheim ist nicht mehr weit.
Da ist es! Oberhalb das Kloster der Hildegard von Bingen. Bin weit außerhalb der Saison hier. Kaum zu glauben, dass sich laut Wikipedia pro Jahr 3 Mio Touristen durch die Drosselgasse schieben. Ich war dort fast allein ;-)
Mein Abendessen gibts in der Jacobusklause, die mir wiederholt von Einheimischen empfohlen wurde. Die Küche kann etwas! Im Bild Spinatknödel, meine Vorspeise. (Warum auch immer die als Hauptgericht gelistet war...)
Abendspaziergang zur Verdauung. Rüdesheim gefällt mir! Ich übernachte hier auch schon das dritte Mal.
107km und 1250 Höhenmeter, 16 Grad, sehr sonnig, konstanter Gegenwind aus Nord hat aufs Tempo gedrückt.
Plan für heute: Rheinradweg rauf bis Eltville, dann einmal diagonal über den Hohen Taunus, durch Bad Camberg, und dann diagonal über den (nicht so hohen) Taunus bis Wetzlar. Wetzlar kenne ich aus einer Dokumentation über die schönsten hessischen Kleinstädte. Es ist schon wieder Gegenwind, und nicht allzu warm. Mein Plan B wäre, ab Camberg nach Limburg zu fahren, allerdings war ich da schon.
Der Rheinradweg ist völlig leer! Kaum vorstellbar, wie sich hier im Sommer die Radfahrerkolonnen mit halbem Ebike-Tempo durchquälen.
Hmm, die Wolkenschichtung über dem Hohen Taunus sieht interessant aus, und der Sonnenschein endet wie mit dem Messer abgeschnitten am Taunusrand. Hoffentlich bleibt es trocken.
Oben! Kurz hinter Eltville habe ich eine bequeme, fast unbefahrene Kreisstraße gefunden. Bisschen frisch hier auf 400m bei Taunusstein. Mal sehen, wo ich ein Mittagessen finde.
Viel los ist hier oben nicht, aber Pizza geht immer! Besser als gestern, als ich vor Alzey zu Mittag nur belegte Brötchen vom Bäcker bekam ;-)
Hinter Taunusstein überschreite ich den Limes. Ab jetzt bin ich im Barbaricum!
Interessant, wie krumm Fachwerkhäuser werden können, ohne dass es die Statik beeinträchtigt. So gesehen in Idstein.
Bad Camberg (oder auch Idstein) könnte ich mir als Übernachtungsziele für die nächste Tour gut vorstellen, das sieht hübsch aus!
Die Landschaft, die gut gepflegten Wirtschafts- und Radwege, die freundlichen Spaziergänger und Autofahrer, also praktisch das Gesamtpaket "Hessen", gefällt mir wieder ganz außerordentlich :-)
Mein Übernachtungsort Wetzlar ist eine ruhge, hübsche kleine Fachwerkstadt. Nicht spektakulär, aber dafür auch nicht so auf Touristen zugeschnitten wie Rüdesheim. Genügend offene Einkehren gibts trotzdem. Gefällt mir hier sehr gut.
Im Landsknecht gibts lecker hessische Küche! Hier im Bild Handkäs mit ganz viel Musik (ich habe ein Einzelzimmer^^), mein Hauptgang war ein Schnitzel mit Frankfurter Grüner Sauce. Die hessische Küche ist definitiv etwas für mich!
113km und 1600 Höhenmeter, 12 Grad, bewölkt, leichter Gegenwind.
Ich habe die Wirtin beim Frühstück gefragt, ob sich ein Abend in Marburg lohnt. Antwort: "Ja! Und übernachten Sie im Marburger Hof!". Dann mache ich das so. Damit ich auf meine 100km komme, gibt es noch einen Schlenker zurück in den Taunus über Burg Münzenberg.
Heute ist es nochmal deutlich kälter als gestern, nieselig und mit stärkerem Gegenwind. Die Regensachen brauche ich aber nicht.
Mittagessen gibts im Da Franco in Butzbach. Butzbach hat auch ein großes Schloss, das aber offenbar den hessischen Landgrafen nicht gefallen hat: Im Wesentlichen war Butzbach wohl Witwensitz für die Gattinen verblichener Grafen ;-)
Burg Münzenberg ist schon aus großer Entfernung zu sehen. Wegen der zwei Bergfriede nennt man die Burg auch "Tintenfass der Wetterau".
Die Burganlage ist riesengroß, und die Fernsicht über Wetterau und Taunus ist tatsächlich spektakulär! Ich bin auf der Burg allein, abgesehen von dem freundlichen Herrn an der Kasse.
Das erste Mal, dass ich miteinander kämpfende Alpakas sehe. Das Gespucke ist schon eklig -- auch die Hühner gehen aus dem Weg ;-)
In Gießen erreiche ich wieder die Lahn, die ich für meinen Abstecher nach Münzenberg in Wetzlar verlassen habe. Nur noch 40km kalter Gegenwind bis Marburg. Seit der Münzenburg bin ich in meinen Thermo-Winterklamotten.
Hier wurde also das Marburg-Fieber entdeckt, eine der tödlichsten bekannten Viruserkrankungen. Sieht doch ganz freundlich aus ;-)
Die Altstadt von Marburg ist hübsch steil, und wesentlich belebter als meine letzten Übernachtungsorte.
Ich entdecke an mehreren Stellen Kunstwerke, die sich gut in das quirlige Stadtbild einfügen. Marburg ist tatsächlich eine Reise wert!
Spundekäs (im Bild), Ebbelwoi, hessische Zwiebelsupp -- kulinarisch komme ich im "Weinlädele" voll auf meine Kosten ;-)
101km und 1100 Höhenmeter, 6 Grad, bewölkt und nieselig, Gegenwind.
Mein Tagesziel heute ist Schlitz. Ich fahre zwar laut Karte durch die Vogelsberg-Region, aber Berge sind mir bei der Routenplanung nicht aufgefallen. Ich erwarte 100km beschauliche Transitstrecke. Auf mein Ziel Schlitz bin ich gespannt, das ist bekannt für seine Burgen, Altstadt und die älteste durchgängig betriebene Brennerei Deutschlands ;-)
Heute ist strahlender Sonnenschein. Der Wind hat zwar nach Osten gedreht, damit ich wieder Gegenwind habe, aber stark nachgelassen.
Kurz nach dem Aufbruch aus Marburg fällt mir im Ohm-Tal dieser merkwürdige freistehende Huppel ins Auge, der frei aus der Ebene herausragt. Laut Karte Amöneburg. Liegt auf dem Weg und ich habe es nicht eilig, also hin!
Amöneburg entpuppt sich als Fachwerk-Städtchen hoch oben auf einem Vulkankegel! Die Basaltsäulen sind sehr gut sichtbar.
Die Hinweistafeln verraten es: Vogelsberg ist eine Vulkanregion, mit zahlreichen Vulkanausbrüchen im Tertiär. Vom Schloss Amöneburg aus sieht man tatsächlich weitere freistehende Kegel. Interessant! Mit sichtbaren Vulkanen hätte ich in der Eifel gerechnet, aber nicht in Hessen.
Die Störche sind auch schon da, und beziehen ihre Nester.
Mir gefällt die Gegend sehr! Die Straßen sind super, und es ist sogar noch weniger los als im Taunus ;-)
In Kirtorf, mitten im hessischen Nirgendwo, finde ich aber tatsächlich einen Gasthof, der eine tolle bretonische Fischsuppe zaubert, so richtig schön mit Edelfisch, Muscheln, Tintenfisch und allem drum und dran :-)
Bald komme ich durch Alsfeld. Das war mein Plan B, falls ich unterwegs kein Mittagessen finde. Alsfeld ist eine weitere hübsche hessische Fachwerk-Stadt mit roten Dächern. Zu manchen Schnitzereien an den Gebäuden hätte ich allerdings Fragen...
Diese Anruf-Schranken brauchen EWIG! Jedesmal höre ich "Es wird gerade eine Zugleistung erbracht, ich öffnen die Schranke sobald möglich", und dann stehe ich da ne halbe Stunde herum...
Ganz flach ist es aber dann doch nicht. Bei Lauterbach schickt mich eine Umleitung mal eben mehrere Kilometer auf den nächsten Hügel, teilweise über tiefen, losen Schotter. Wer hat sich das ausgedacht?
Ich bin dann doch ganz froh, als ich Schlitz erreicht habe. Ich werde im Hotel von der Wirtin, dem Hotelhund und der Hotelkatze ganz lieb begrüßt. Je nach Gusto will man meine Adresse wissen oder hinter dem Ohr gekrault werden ;-)
Ich halte mich beim Abendessen mit dem Bier zurück, damit ich noch Kapazitäten habe, um von den 30 Produkten der lokalen Brennerei zu kosten. Meine Wahl fällt auf Zwetschgenbrand, Bierbrand, Single Malt und Whisky Liqueur -- sind alle super.
101km und 1000 Höhenmeter, 14 Grad, strahlender Sonnenschein.
Die Wettervorhersage kündigt für morgen stürmische Böen mit 53km/h aus nördlicher Richtung bei einstelligen Temperaturen und leichtem Regen über dem Thüringer Wald an. Ich beschließe, heute Abend in Eisenach den Zug nach Hause zu nehmen. Eigentlich wollte ich noch weiter, und Regen und Temperaturen schrecken mich auch nicht, aber Gegenwind hatte ich auf dieser Reise wirklich genug ;-)
Es sind -1 Grad heute morgen. Auf den Dorfteichen treibt teilweise eine hauchdünne Eisschicht, und ich habe tatsächlich Windstille.
Zuerst stehen 40km Fulda-Radweg bis Bebra auf dem Plan. Die Landschaft ist hübsch, und die Sonne taut den Rauhreif auf den Feldern.
Die Störche suchen sich auch schon ihr Frühstück.
Bad Hersfeld finde ich unspannend, ebenso der Weg entlang eine Bahnstrecke vom Fulda- ins Werra-Tal. Das Naturschutzgebiet "Rhäden" an der hessisch-thüringischen Grenze gefällt mir aber sehr! Auf den Salzwiesen ist eine Menge los. Ich bekomme auch langsam Hunger ;-)
Genau 630m Luftlinie hinter der Grenze zu Thüringen finde ich einen Gasthof mit phantastischen Thüringer Klößen und Roulade!
Ostern ist auch bald!
Im Gegensatz zum Taunus und Fulda-Tal ist im Werra-Tal schon Frühling. Ich freue mich sehr, nach 3 Tagen wieder Blühkrams zu sehen ;-)
Bei Lauchröden an der Werra komme ich an der Burgruine Brandenburg vorbei. Die ist bekannt für ihr Stoner-Metal Festival "Burgbrand Open Air". Das wäre dieses Jahr Ende Juli, würde mir zeitlich gut passen, mal sehen... ;-)
Weil ich noch recht früh dran bin, biege ich bei Hörschel nicht aus dem Werra-Tal nach Eisenach ab, sondern fahre erst mal bis Creuzburg weiter, und suche mir hier einen sonnigen Biergarten.
Eisenach unten links, der, ähm, die Wartburg rechts ;-)
Ordentlich Verspätung. Dann sitze ich wohl erst einmal eine Stunde herum, bis mein Zug kommt. Abgesehen von der Verspätung läuft die Heimfahrt aber problemlos.
127km und 750 Höhenmeter, 16 Grad, strahlender Sonnenschein, windstill.
Insgesamt war ich laut ca. 600km und 6000 Höhenmeter unterwegs. Die ersten Tage hatte ich teilweise wirklich zu kämpfen, um meine 100 Tageskilometer zu erreichen, und dachte schon, meine Kondition wäre jetzt völlig hinüber. Wie man an der Kilometerleistung am letzten Tag und der viel zu frühen Ankunft unschwer erkennen kann, lags aber nur am konstanten Gegenwind ;-)
Die Strecke selber bin ich zwar noch nie gefahren. Aber in der Pfalz, in Rüdesheim, in Hessen und Thüringen war ich schon oft unterwegs. In Bad Dürkheim und Rüdesheim war ich schon mehrfach. Insofern war die einzige Überraschung der Tour die Vulkanregion Vogelsberg. Aufgrund der bekannten Regionen habe ich meine Route aber auch so gelegt, dass ich -- abgesehen von einem Mittagessen vom Bäcker vor Alzey -- wirklich ganz ausgezeichnet gegessen habe! Ich war sicherlich nicht das letzte Mal in der Region unterwegs.