Es ist September, angekündigt sind Sonne und über 30 Grad. Ich habe ab Dienstag früh in Aachen zu tun, und bekomme einen Fahrradstellplatz in einem ICE, der mich Freitag nach der Arbeit nach Wiesbaden bringt. Eine Reiseroute den Rhein hinauf bis Köln und dann durch die rheinische Bucht bis Aachen ist mir definitiv zu flach. Meine Plan ist darum, an 3 Tagen durch 4 Länder und 5 Regionen zu fahren: Hunsrück, Moseltal, Eifel, Ardennen und Hohes Venn, jeweils gelegen in Deutschland, Luxembourg, Belgien und den Niederlanden.
Meine Reiseroute ist hier dargestellt. Die gelben Punkte zeigen meine Übernachtungsorte an.
Die Zugfahrt gestaltet sich unerwartet unangenehm. Die Hälfte der Wagen meines ICE fehlen, von den vorhandenen ist einer wegen ausgefallener Klimaanlage gesperrt. Die DB Sicherheit wirft alle ohne Reservierung aus dem auch so völlig überfüllten Zug. Ich freue mich, als ich endlich ankomme.
Ich steige aus dem Zug, und stoße auf dem Marktplatz von Wiesbaden auf ein kleines Apfelweinfest mit einer Handvoll Kelterer, die ihre Produkte zur Verkostung anbieten. Unerwartet, aber nicht unwillkommen -- die Tour geht gut los :-)
An sonsten sehe ich zu, dass ich an Schloss Biebrich vorbei schnell auf den Rheinradweg komme.
Flott erreiche ich meine Übernachtung, Rüdesheim
In Rüdesheim war ich schon einmal. Es gefällt mir hier Abends sehr, wenn die zahllosen Tagesgäste weg sind.
Eine gute Vorstellung, wo ich etwas tolles zu Essen finde, habe ich auch. Einen Absacker gibts dann auf "Terrasse 14" mit Blick über den nächtlichen Rhein, direkt neben der Drosselgasse ;-)
45km und 140 Höhenmeter (Arbeitsweg und von dort zum Bahnhof mitgerechnet), 30 Grad, sonnig.
Heute will ich aus Rheinhessen über den Hunsrück an die Mosel.
Ich setze mit der Fähre nach Bingen über, und werfe einen letzten Blick auf Germania: Mögen die Anstiege kommen :-)
So ungefähr habe ich mir das gedacht. Kleine Straßen, und immer schön rauf und runter!
Nach diversen Wegweisern "Schanzerkopf" kann ich nicht widerstehen, und beschließe: Ich muss da rauf. Aus 643m Höhe breitet sich der Hunsrück unter mir aus -- ein tolles Bild!
Zu Mittag bin ich in Simmern. Merkwürdigerweise gibts auch an einem Samstag kein offenes Restaurant mit einheimischer Küche. Ich finde aber ein türkisches Grillhaus mit einem wirklich hervorragenden Lammteller :-)
Bei der Ausfahrt aus Simmern stoße ich auf den Hunsrückbahn-Radweg. Der führt zwar nur ungefähr in die richtige Richtung, aber ich beschließe spontan, dass ich durch diesen Tunnel und noch etwa 10km weiter möchte.
Ich habe ein Hotel in Bernkastel gebucht. Um das zu erreichen, muss ich mich langsam beeilen. Die Anstiege halten ganz schön auf.
Bei Zell erreiche ich die Mosel, mit der "Zeller Schwarze Katz" als bekanntester Weinlage.
Leider läuft mir nun wirklich die Zeit davon - die Rezeption meines Hotels will 18 Uhr schließen. Ich rausche 40km mit einem 28er-Tempo den Mosel-Radweg herauf, und halte nur einmal an, um dieses Foto zu machen und ein Bitburger aus einem eisgekühlten Bierglas zu verkosten ;-)
Bernkastel ist genauso schön wie erhofft. Ich mag den kleinen Weinort mit den schmucken alten Häusern sehr :-)
In einem kleinen Restaurant gibts eine französische Zwiebelsuppe und Saumagen. Als Dessert gibts in einer Straußwirtschaft von einem kleinen Weingut noch einen perfekten Flammkuchen - dünner Boden, knusprig, genau so wie er sein muss.
Zum Sonnenuntergang flitze ich noch rasch zur Burg Landshut hinauf. Zwar darf ich bei den Temperaturen und dem steilen Anstieg dann gleich nochmal duschen, aber ich erwische den perfekten Moment :-)
129km und 1550 Höhenmeter, Maximalhöhe 643m, 32 Grad, sonnig.
Heute möchte ich bis in die Ardennen. Das Flüßchen Our trennt Eifel und Ardennen, und gleichzeitig den deutschen und den französischen Sprachraum. Wobei ich bald feststelle, dass das Deutsch der Luxembourger nicht ganz leicht zu verstehen ist ;-)
Der Tag verspricht wieder schön zu werden. Der Nebel über der Mosel löst sich sehr rasch auf.
Ich finde eine Strecke für Faule aus dem Moseltal heraus: den Bahntrassenradweg entlang der Lieser bis Wittlich. Wittlich liegt schon in der Eifel.
Ab Dreis dann ein Stückchen fast unbefahrene Landstraße bis Burg Bruch.
Nach ein paar weiteren Hügeln und an der großen Spangdahlem Airbase vorbei komme ich dann pünktlich zu Mittag in Bitburg an. Gerüchteweise soll der Ausschank neben der Brauerei eine ganz ausgezeichnete Küche haben.
Stimmt! Das Cordon Bleu vom Hunsrücker Schwein ist herausragend! Das Tartar mit Heringskaviar als Vorspeise und der Brownie mit Erdbeeren zum Dessert waren es auch. Kein Wunder, der Koch war in Baiersbronn und auf dem Karlsruher Turmberg, hat also Sterne-Erfahrung ;-)
Rauf, runter, rauf, runter, gern auch mal mit 15%-Steigung. Die Eifel ist hübsch anstrengend. Erst recht bei 33 Grad im Schatten. Irgendwann nehme ich die kaum befahrene L8, weil die Feldwege daneben noch weitaus steiler sind ;-)
Als ich bei Hüttingen an einem Ofen-Museum mit Cafe vorbekomme, schütte ich erst einmal mehrere Flaschen Wasser in mich hinein. Nachdem ich erzähle, wo ich herkomme und ich heute noch hin will, spendiert mir der mitfühlende Wirt eine frische belgische Waffel ;-)
Bei Vianden passiere ich die Grenze zu Luxembourg und überquere die Our. Ab hier heißt die Gegend nicht mehr Eifel, sondern Ardennen. Ich bin neugierig auf Luxembourg, ich habe davon keine Vorstellungen.
Wider erwarten liegt der auf der Karte eingezeichnete Stausee nicht im Tal, sondern entpuppt sich als Speicherbecken ganz oben auf der höchsten Bergkuppe weit und breit -- nix mit Höhenmetern sparen und flott vorankommen ;-)
Die Ardennen sind genauso hügelig wie die Eifel, und sind wohl auch geologisch kaum zu trennen. Mir fällt auf, dass es in Luxembourg sehr wenige Windräder gibt. Die Grenze nach Deutschland ist deshalb schnell ausgemacht -- in der Pfalz stehen viele davon.
Mein Tagesziel Clervaux erreiche ich kurz nach 18 Uhr. Clervaux liegt auf einem Felssporn in einer Flussbiegung, und hat ein Schloss, eine Kirche und ein großes Kloster. Wirklich hübsch! Ich freue mich sehr, dass ich mich doch für den Weg hierher entschieden habe :-)
Noch mehr freue ich mich über ein herausragendes Abendessen. Im Bild Boeuf Tataki, mein 3. Gang. Tataki ist eine japanische Zubereitung, bei der mariniertes Fleisch so kurz angebraten wird, sodass es innen roh bleibt, und dann dünn aufgeschnitten wird -- unglaublich lecker! Die Küche bringt durcheinander, das ich ein Hauptgericht als Vorspeise und eine Vorspeise als Dessert bestelle. Deshalb gibts noch ein belgisches Blonde aufs Haus :-D
Der Abendspaziergang durch das kleine, hübsche Clervaux ist wieder ein echtes Highlight dieser Tour.
125km und 1900 Höhenmeter, Maximalhöhe 547m, 33 Grad, sonnig.
Heute Abend muss ich in Aachen sein. Es ist noch ein ganzes Stückchen Weg bis dahin, aber das Wetter ist immernoch toll.
Erst mal geht es parallel zur Woltz von Clervaux aus nach Norden. Das Tal der Woltz ist teilweise so schmal, dass die Straße über die Hügel geführt wird. Man hat schöne Ausblicke auf den Naturpark Our.
In Troisvierges gibts den ersten Wegweiser nach Aachen über über den Vennbahn-Radweg. Auf einer ehemaligen Bahntrasse schaffe ich das heute locker. Jedenfalls wenn ich die Geduld hätte, den ganzen Tag nichts anderes zu sehen als einen flachen Bahnradweg (habe ich natürlich nicht^^).
Ardennen links, Ardennen rechts, Bahnradweg mit nur 1% Steigung oder Gefälle. Bald erreiche ich Belgien.
Um eine Dampflok zur Zeit von 1882 nicht mit Steilstrecken zu überfordern, macht die Vennbahn einige größere Schlenker. Die Gelegenheit für mich, auf "Abkürzungen" echte Höhenmeter mitzunehmen :-)
Was gibts schöneres, als zu Mittag in Belgien ein belgisches Bier mit belgischen Pommes und belgischer Spezial-Majo zu genießen!
Ein weiterer Abstecher von der Vennbahn bei Monschau bringt mich auf das Hohe Venn, ein Hochmoor auf über 600m Höhe. An einem Montag um 17 Uhr ist hier niemand, sodass ich mein Rad über den superschmalen Steg übers Moor schieben kann :-)
Die letzten 20km bleibe ich auf der Vennbahn, die mit vielen Schleifen, aber verkehrsfrei und mit 1% Gefälle gemütlich nach Aachen einrollt.
Aachen liegt im Rheinland. Was bekommt man hier im Lokal? Genau, Himmel un Ääd, zum runterspülen Kölsch ;-)
Was ich nicht wusste: Aachen war eine Bäderstadt! Die 53 Grad heiße, nach Schwefelwasserstoff stinkende Kaiserquelle wirkt jedoch nicht sehr einladend, auch wenn eine Tafel daneben damit protzt, wieviele gekrönte Häupter sie schon aufgesucht haben ;-)
An sonsten ist die Innenstadt von Aachen ganz nett, alles drumherum aber reichlich schmuddelig. Lohnt sich eher nicht, aber ich bin ja dienstlich hier.
136km und 1150 Höhenmeter, Maximalhöhe 658m, 32 Grad, sonnig.
Ich habe nach der Konferenz noch Gelegenheit, zum Dreiländereck Belgien/Niederlande/Deutschland auf den Vaalserberg zu fahren. Dieser ist mit 322m gleichzeitig der höchste Punkt der Niederlande.
Für einen kleinen Imbiß am Dreiländereck entscheide ich mich sofort für das belgische Eckchen. Wesentlich besser als Kölsch ;-)
Die Grenze zwischen Niederlanden und Deutschland ist krass. Auf der einen Seite gepflegte niederländischen Straßen mit breiten Radwegen und sauberen Bürgersteigen. Hinter der Grenze nach Deutschland verschwenkt der Radweg hinter einem halb umgefahrenen Verkehrsschild auf einen aufgebrochenen Fußweg, die Straße ist geflickt, und die Stadtreinigung könnte auch mal kommen.
Natürlich muss ich Aachener Printen mitbringen. Ich mache das, was jeder Tourist macht: Ich suche mir eine kleine Bäckerei, koste mich durch das Angebot, und kaufe die, an denen man sich nicht die Zähne ausbeißt. Jaja, man muss die in Kaffe tunken, ich weiß ;-)
Vor der Heimfahrt wache ich um 4 Uhr Morgens im Hotel zufällig auf, schaue aufs Handy und sehe direkt, dass mein Zug ausfällt. Zum Glück hat der IC ab Köln in drei Stunden noch Fahrradstellplätze frei. Ich fahre also um 5 mit der Regionalbahn nach Köln, habe dort ein Frühstück und schleiche dann müde in den Zug nach Hause. Von einer Notbremsung und einer kleinen Reparatur am Zug durch den Lokführer auf offener Strecke abgesehen verlief die Heimfahrt dann normal ;-)
Insgesamt war ich von Freitag Abend bis Montag Abend 435km und 4750 Höhenmeter unterwegs. Das Wetter war jeden Tag sonnig und über 30 Grad warm. Ich habe eine lustige Route erwischt. Meine Tagesetappen waren durchweg etwas länger, als mir das bei den Temperaturen in hügeligem Gelände lieb gewesen wäre. Ein paar km pro Tag weniger, und stattdessen einen weiteren Schlenker zu einer Sehenswürdigkeit oder ein Päuschen an einem Weingut wäre mir lieber gewesen. Aber ich hatte meinen festen Termin in Aachen, und war sehr stur, was meine Übernachtungsziele betrifft. Die lauschigen Abende in Rüdesheim, Bernkastel und Clervaux waren dann auch perfekt - die harten Etappen haben sich gelohnt! Und meine Mittag- und Abendessen waren nicht bloß gut, sondern spektakulär. Es war also diesmal eine klare Feinschmeckertour, die praktisch direkt aus dem Zug heraus mit dem Apfelweinfest in Wiesbaden begann ;-)