Ich hatte kurzfristig die Möglichkeit, eine Woche Urlaub
zu nehmen. Selbstverständlich wollte ich irgendwo hin, wo es
Berge gibt. Die erste Idee war, in 8 Tagen über die Route
des Cretes in die Schweiz zu fahren. Selbstverständlich kam
alles anders ;-)
Die folgende Karte zeigt meine letztendliche Route, mit schwarzen
Punkten an den Stellen, wo ich im Zelt übernachtet habe.
An einem schönen Donnerstag mit vielversprechendem
Wetterbericht fahre ich ab. Endlich kommt mein Reise-MTB wieder
zum Einsatz, das ich kaum mehr fahre, seit ich ein neues,
schlankeres mit Alfine-Achtgangnabe habe.
Zuerst fahre ich ab Karlsruhe mit der Fähre bei
Neuburgweiher auf die linke Rheinseite, dann durch den Bienwald,
bis ich zu einem kleinen Grenzübergang nach Frankreich
komme.
Über Wissembourg und Lembach geht es in die Nordvogesen.
Ich beginne mich langsam zu wundern, warum die Supermärkte
alle zu sind. Am Straßenrand stehen in jedem Dorf
hübsche Pflanzen-Arrangements.
Bei Jaegertal besichtige ich eine uralte Schmiede, von der nur
noch die Mauern und der Stausee stehen -- alle Holzbalken sind
wohl schon vor 100 Jahren weggefault.
Langsam bekomme ich richtig Hunger. Immernoch keine offenen Läden zu sehen, und auch kaum offene Restaurants. Ich fahre auf der Suche nach etwas Eßbarem wieder aus den Vogesen heraus in die größeren Städte und finde irgendwo einen türkischen Laden, wo ich mir Kekse und Getränke hole. Nachdem mir ein Einheimischer erklärt, dass man in Frankreich "Maria Himmelfahrt" feiert, wird mir klar, warum alles zu ist. Nunja, die nördlichen Vogesen sind mir ohnehin viel zu flach, also fahre ich über Haguenau und die Drusenheimer Fähre wieder nach Deutschland, und setze mich in Bühl in die S-Bahn nach Hause: Nase fürs erste voll von Frankreich ;-)
170km in 8h, 1000 Höhenmeter, Maximalhöhe 500m
Ich will endlich in richtige Berge. Also denke ich mir
kurzentschlossen eine neue Route aus, die mal ausnahmsweise nicht
durch Graubünden führt, und setze mich in ein
randvolles Fahrradabteil der Schwarzwaldbahn nach
Konstanz.
Nach dem Grenzübertritt in die Schweiz stürme ich
zuerst eine Bank und hole mir Fränkli, und
anschließend eine Konditorei: Genau so habe ich mir das
vorgestellt, Schweiz empfängt mich deutlich freundlicher als
Frankreich ;-)
Nach einem letzten Blick auf den Bodensee komme ich zufällig
auf die Velo-Route 41, und nehme sie, raus aus Konstanz und dem
Flachland.
Die Route führt durch ein schönes Naturschutzgebiet
mit einem flachen Teich voller Seerosen und piepender
Wasservögel.
Ich fahre weiter in Richtung Bischofszell. Endlich sehe ich
auch meine ersten "richtigen" Berge, Yippie! ;-)
An einem Brunnen mache ich eine kurze Rast und vertilge meine
ersten schweizer Lebensmittel. Ein Wachkater paßt solange
auf mein Rad auf.
Highlight von Bischofszell ist die größte noch
erhaltene spätmittelalterliche Brücke der
Schweiz.
In Herisau decke ich mich in einem Coop fürs Abendessen
ein. Hinter Herisau nehme ich den Wanderpfad, der langsam
schmaler und steiler wird.
Ich finde einen tollen Übernachtungsplatz an einer
versteckten Grillstelle im Wald. Der Platz hat alles: Bänke,
ein flaches Becken unterhalb eines Wasserfalls zum Baden, und
eine ebene Stelle fürs Zelt. Dass das Wasser aus den Bergen
eisekalt ist stört nicht.
Von Kuhglocken und Wasserrauschen begleitet schlafe ich sehr gut.
60km in 3:30h, 1000 Höhenmeter, Maximalhöhe 1000m
Werde von lautem Gebimmel wach: Heute ist Alm-Abtrieb! Die
Straße ist für den Autoverkehr gesperrt. Jodelnde,
geschmückte Hirten begleiten ebenfalls geschmückte
Kühe und Kälber von den höchstgelegenen Almen ins
Tal. Ich komme bestimmt bestimmt an 5 Abtrieben vorbei, und das
Tal hallt wieder vom Geläut der Kühe und dem Gesang der
Hirten -- herrlich!
Zunächst gehts auf die Schwägalp hinauf, Umschau
halten. Nach Osten will ich nicht, weil ich dann in gutbekannten
Graubünden lande, also Richtung Toggenburg.
Auf der Fahrt abwärts durch das Toggenburg ist nahezu
jedes Haus unglaublich mit Blumen geschmückt.
Selbst die an der Straße liegenden, offenen Ställe
sind geschmückt.
Viele Häuser und Gehöfte sind gut 100 Jahre alt, wie
die Inschriften an den Gebäuden zeigen.
Ich fahre über den Rickenpaß ins Züricher
Land. Auf halber Höhe über dem Zürcher See liegt
ein Kloster mit einem schönen Klostergarten und toller
Aussicht.
Mein Ziel für heute ist der Klausenpaß, also biege
ich ins Tal südlich des Klosters ein.
Bei Glarus bemerke ich, dass meine Hinterradfelge auseinandergeht: Felgenschaden! Glücklicherweise finde ich ein paar Kilometer weiter in Glarus ein geöffnetes Fahrradgeschäft, das mir in nur 20 Minuten ein neues Hinterrad einbaut. Von meinem alten Rad nehme ich nur die Nabe mit. Das hat mal richtig gut geklappt :-)
Auf den Schreck mache ich in Glarus erst mal eine kurze Pause,
an einer Statue, die mich an die dreibrüstige Hure aus dem
Film "Total Recall" erinnert ;-)
Ich decke mich zunächst fürs Abendessen ein. Einem
Hündchen fällt es sichtlich schwer, vor der Tür
auf Herrchen zu warten.
Weiter geht es in Richtung Klausen-Paß. Ich komme an
einer Brauerei vorbei und ärgere mich im vorbeirauschen,
nicht angehalten zu haben.
Allerdings ärgere ich mich nicht allzu lange ;-)
Die Talwände des Glarner Lands rücken enger
zusammen.
Gegen 17 Uhr erreiche ich die Auffahrt zum Paß. Ein
französisches Radreisepärchen erzählt mir, dass
sie 4 Stunden den Paß hinauf gebraucht haben. Ich versuch's
trotzdem heute noch, denn so spät sind kaum noch
Motorradfahrer unterwegs.
Der Paß besteht aus zwei Etappen: Zuerst fährt man
ca. 600 Höhenmeter bis Urnerboden hinauf. Schon der Blick
von Urnerboden zurück ist beeindruckend.
Urnerboden ist ein langgestrecktes Tal, an dessen Ende der
Klausen-Paß mit noch einmal 600 Höhenmetern
liegt.
Beim Aufstieg zum Klausen-Paß sehe ich meinen ersten
Schnee in diesem August ;-)
Um 19:30, also nach ungefähr 2:30 Stunden Fahrt, erreiche
ich die Paßhöhe.
Auf der anderen Seite klebt die Straße an den steil
abfallenden Felshängen.
Der Abstieg zum Tal ist weit, und es ist auch schon recht
spät. Ich fange an, nach einem Nachtlager zu
suchen.
Hinter Altdorf finde ich endlich eines, an einem unter Steinen
verborgenen Bergbach. Wenn man die Steine ein paar Meter
hinaufklettert, findet man sogar fließendes Wasser zum
Waschen und Kleidung ausspülen.
150km in 8h, 2250 Höhenmeter, Maximalhöhe 1945m
Nachdem ich ein paar Nacktschnecken vom Zelt gepult habe,
gehts im Morgengrauen weiter, den Radweg an der
Gotthard-Nordrampe hinauf. Der Motorradlärm ist in den engen
Talwänden ganz schön laut.
Bei Wassen biegt die Straße zum Susten-Paß ab. Die
Straße führt zunächst über interessante
Brücken- und Tunnelkonstruktionen.
Der Weg zum Susten-Paß zieht sich in die Länge. Auf
halber Höhe ein Kirchlein mit Aussicht auf ausgedehnte
Schneefelder.
Es ist Wochenende: die Motorradfahrer nerven.
Rückblickend hätte ich besser die alte
Paßstraße genommen, die ohne Verkehr im Talboden
verläuft, anstelle der als Radroute ausgeschilderten neuen
Straße zu folgen. Vielleicht beim nächsten
Mal.
Langsam wird es kälter, die Schneefelder beginnen schon
unterhalb meiner Höhe.
Der Blick zurück ist atemberaubend!
Paßhöhe! Ich genehmige mir ein Gipfelbier im
Paßrestaurant ;-)
Oben am Paß liegt Schnee.
Hinter dem Paß hat man einen tollen Blick auf den
Gletscher.
Die Abfahrt nach Meiringen führt durch viele Tunnel, mit
relativ wenigen Serpentinen, immer an der Talwand entlang. Ich
bewundere die Straßenbauer, die diesen Weg angelegt
haben.
Mein erster Weg in Meiringen, unten im Tal, führt mich
zum Badesee -- herrlich nach der anstrengenden Auffahrt!
Dummerweise schlägt das Wetter plötzlich um. Ich
verziehe mich in ein Restaurant und esse für insgesamt 65
SFR zu Abend -- ganz schön teuer, aber ich hatte auch zwei
komplette Mahlzeiten ;-)
Da der Badesee gut einsehbar und mit "Zelten verboten" ausgeschildert ist, übernachte ich bei strömendem Regen zusammen mit einigen Nacktschnecken in einem nahegelegenen Wäldchen.
85km in 5:30h, 1900 Höhenmeter, Maximalhöhe 2234m
Leider immernoch Regen. Ich warte bis 11 Uhr im Zelt, dann
wird das Wetter ein wenig besser. Ich klaube die Nacktschnecken
vom Zelt und packe selbiges triefendnaß und schwer ein.
Mein Ziel für heute ist der Paß
Große Scheidegg.
Die Attraktion von Meiringen ist der Reichenbach-Wasserfall,
in dem Arthur C. Doyle seinen Sherlock Holmes beim letzten Kampf
gegen Professor Moriarty sterben läßt.
Die Paßstraße führt direkt am Wasserfall
vorbei, und steigt kräftig an. Endlich eine Herausforderung
;-)
Das Wetter macht's spannend: immer wieder Nieselregen und
Wolken auf Augenhöhe.
Von einer Brücke aus kann man den Wasserfall direkt von
oben betrachten. Das Geräusch des tosenden Wassers ist
beeindruckend.
Zunächst ziehen noch ein paar Wolken vorbei.
Als es dann aufklart, trockne erst einmal meine nassen Sachen,
die ich bei Regen im Tal triefendnaß einpacken
musste.
Weiter in Richtung Paßhöhe komme ich an der
kleinsten Ortschaft der Schweiz vorbei. Sie besteht nur aus einem
großen, alten Hotel und ein paar kleinen
Häuschen.
Eine restaurierte alte Eingatter-Säge zeigt, wie hier
früher Holz verarbeitet wurde.
Das Wetter wird wieder schlechter.
Auf Paßhöhe der Großen Scheidegg
sieht man nichts mehr.
Es ist naßkalt und stürmisch. Auf meinem Trikot
bilden sich sogar Eiskristalle ;-)
Nach einer heißen Suppe und einem Bier im
Paß-Restaurant klart das Wetter wieder ein wenig
auf.
Ich fahre einigermaßen im Trockenen bis Grindelwald, und
dann durch heftigen Regen bis Interlaken.
Interlaken könnte man eher Inderlaken nennen ;-)
Bei meinem letzten Besuch in der Schweiz waren es Horden von
chinesischen Touristen; dieses Jahr ist sie offenbar bei Indern
sehr beliebt. Hinter Interlaken stelle ich mein Zelt auf 1000m
Höhe an einem einsamen Waldweg auf. Heute leider keine
Waschgelegenheit; dafür müssen die mitgebrachten
Feuchttücher herhalten.
62km in 4:30h, 1780 Höhenmeter, Maximalhöhe 1986m
Der Tag startet kalt, aber sonnig. Ich stelle fest, dass das
neu gekaufte Hinterrad nicht gut eingespeicht ist, und ziehe erst
mal sämtliche locker herumklimpernden Speichen wieder fest.
Endlich ist das schwammige Fahrgefühl weg!
Ich fahre zuerst ein Stückchen am Thuner See
entlang.
Die Straße ist in halber Höhe in die Felswände
geschlagen.
Bald wird mir diese flache Route zu uninteressant, und ich
fahre Richtung Norden, über einen hübsch steilen
MTB-Pfad.
Hinter den Bergen, die den Thuner See umschließen,
beginnen zahlreiche bizarre Almen auf ca. 1000m Höhe. Ich
folge der Velo-Route 99.
Es ist zwar nicht so hoch wie in den Alpen, aber dafür
viel steiler. Die 99 führt auf kaum befahrenen
Nebenstraßen die Bergkämme hinauf und
hinunter.
Ein entgegenkommender Trupp Rentner auf Elektro-Rädern
erzählt mir von einem Wildbach, als ich nach einer
Badegelegenheit frage. Endlich wieder sauber! Die
Wassertemperatur ist mir egal, nach einem Tag Regen klebe ich
;-)
Die Landschaft ist nicht so karg wie im Hochgebirge, wirkt
aber trotzdem geradezu unwirklich.
Von den zahlreichen Bergkuppen, über die die 99
führt, hat man immer wieder tolle Ausblicke.
Eine Kirche am Wegesrand sieht so ungewöhnlich aus, dass
ich einen Abstecher mache.
Die bemalte Holzausstattung erinnert fast an Norwegen oder
Schweden.
Der Künstler, der hier am Wegesrand seine Holzarbeiten
aufgestellt hat, hat einen gruseligen Geschmack ;-)
Langsam wird es Zeit, ein Nachtlager aufzuschlagen. Bisher
habe ich das perfekte Lager noch nicht gefunden...
Das ist es! Eine Feuerstelle auf einer Bergkuppe in 1000m
Höhe, mit einer fantastischen Aussicht über den
Alpenhauptkamm! Bin vollkommen begeistert :-)
80km in 5:45h, 2200 Höhenmeter, Maximalhöhe 1270m
Ich wache auf, mit einer grandiosen Aussicht aus meinem
Zelt.
Schreckhorn, Finsteraarhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau
zum Greifen nah im Sonnenaufgang!
Nachdem ich mich sattgesehen habe, geht es auf der 99 weiter.
Ziel heute: das Emmental.
Manchmal sind die Fahrrad-Wegweiser schwer zu finden, unter
all den Blumen ;-)
Praktisch alle der uralten Bauernhäuser sind
wunderschön renoviert und noch in Benutzung.
Bei Burgdorf erreiche ich das Emmental. Ich bade kurz hinter
Burgdorf in der Emme, kann aber keinen Käsegeruch
feststellen ;-)
Bei einem Dörchen mit einem schönen Namen verlasse
ich die Emme schon wieder.
Die Aussicht von den Talhängen ist sehenswert!
Bei Affoltern im Emmental komme ich an einer Schaukäserei
vorbei. Der Unterschied von der Käseherstellung um
1750...
...bis heute ist sehenswert! Ich kaufe einen 2 Jahre alten
Emmentaler fürs Abendessen -- mehr bekomme ich leider nicht
in meine Packtaschen ;-)
Aufgrund der steilen Lage ernten die Bauern das Heu mit
kleinen Traktörchen, die in einem absurden Winkel an den
Abhängen kleben.
Langsam kommt mein letztes Hindernis vor dem Rhein in Sicht:
der Jura-Ausläufer, der vor Basel liegt.
Ich finde aber so einen tollen Übernachtungsplatz an der
Aare, dass ich da heute nicht mehr herüberwill.
85km in 5h, 1250 Höhenmeter, Maximalhöhe 1028m
Der Blick auf meinem Zelt auf die Aare im Sonnenaufgang ist
toll!
Der Fluß ist viel wärmer als die kühle
Morgenluft, daher treiben Nebelfetzen über den
Fluß.
Bei Aarwangen stelle ich fest, dass mir die Fahrradroute
über den Jura-Ausläufer zu viel Autoverkehr hat. Ich
suche mir also einen anderen (höheren) Überweg
;-)
Dabei komme ich an merkwürdigen Scheunen vorbei.
Der Weg hinauf ist kaum von den gut bekannten Straßen
der Pfalz zu unterscheiden. Ich rausche daher ohne groß
anzuhalten durchs Jura durch.
Das Liestal führt immer schön bergab Richtung
Basel.
Die gleichnamige Ortschaft Liestal hat viele schön
bemalte alte Gebäude im Stadtkern.
Ich bin schon gegen 12 Uhr am Rhein in Basel, habe noch keine
50km auf dem Tacho und fühle mich leicht unterfordert
;-)
Also beschließe ich, nochmal so richtig Gas zu geben,
durchs Breisgau bis nach Freiburg zu fahren und dort die Bahn
nach Hause zu nehmen. Blick zurück in Richtung
Basel:
Das Breisgau ist nicht so flach wie ich mir das vorgestellt
hatte, und macht darum Spaß. Das müßte schon der
Schauinsland in der Nähe von Freiburg sein.
130km in 6:30h, 1200 Höhenmeter, Maximalhöhe 800m
Insgesamt bin ich in sieben Tagen 815km in 46:45h gefahren (Werte vom Tacho, da ist noch der Weg von/zum Bahnhof dabei), bei 12.850 Höhenmetern. So viel hätte für die Fahrtstrecke von Bühl bis Freiburg auch nicht mehr gefehlt. Aber dafür hat abgesehen vom ersten Tag alles so richtig Spaß gemacht. Vor allem drei der Übernachtungen waren spektakulär! Allerdings braucht mein Fahrrad nach dieser Tour wohl erst mal etwas Zuwendung ;-)
Insgesamt habe ich ca 40 SFR (ca. 33 EUR) pro Tag verfuttert. Übernachtungskosten hatte ich natürlich keine, aber dafür kommen noch 175 SFR fürs Hinterrad dazu.