Reisebericht Schweiz'07

Die Tage werden langsam wieder kürzer, und ich hatte noch keinen längeren Urlaub dieses Jahr -- höchste Zeit, diesen in Angriff zu nehmen. Eigentlich wollte ich nach Norwegen, aber da ist mir das Wetter dieses Jahr zu schlecht. Von Karlsruhe aus ist die Schweiz aber nur einen Katzensprung entfernt, und ich mache mir begründete Hoffnungen, auch da ein paar Berge zu finden.

Vorbereitungen

Zur richtigen Planung fehlt mir die Zeit und die Muße. Zum Glück bin ich so oft draussen, dass ich eine recht gute Vorstellung davon habe, was ich mitnehmen muss. Ich beantrage meinen Urlaub, hole mir im nächsten Buchladen die General-Karte Schweiz und einen Reiseführer, lade einen Sack Akkus für Kamera und GPS, markiere mir ein paar Routen und interessante Punkte in Google Earth, die auf mein GPS kommen, und esse den Kühlschrank leer. Fertig bepacktes Rad

Neben dem üblichen Kram kommt diesmal meine Spiegelreflex mit. Das bedeutet leider, einen schweren Rucksack mit Kamera und Wechselobjektiven zu tragen, da ich es nicht wage, das Foto-Zeugs auf den Gepäckträger zu schnallen. Ich habe so bereits eine Kamera vernichtet. Ausserdem müssen Regen- und Wintersachen mit, sowie ein dicker Schlafsack und ein besseres Zelt mit Innen- und Aussenhülle (Vela Exped Extreme), sodass ich diesmal relativ schwer bepackt bin.

Ich frage rasch noch meinen Fahrradhändler, ob mein Rad für die Schweiz gerüstet ist, und verlasse den Laden mit neuen Bremsklötzen, ein paar guten Fahrradhandschuhen, einem Ersatzschlauch und ein paar Ersatzspeichen. Drei Tage nach der Entscheidung für die Schweiz gehts auch schon los.

Die aufgezeichnete Route

Da ich mein GPS immer dabei habe, kann ich am Ende der Tour eine lückenlose Aufzeichnung auslesen, wann ich wo war. In Google Earth sieht das wie folgt aus: Die aufgezeichnete Route

Hier kann man die aufgezeichnete Strecke in Google Maps öffnen.

Tag 1: Schwarzwaldquerung

Mein Plan ist, auf möglichst direktem Wege in die Berge in der Ostschweiz zu kommen. Das heißt, ich nehme an Sehenswürdigkeiten unterwegs nur mit, was ohne große Umwege zu erreichen ist. Dazu zählen die Höhenwege im Schwarzwald, und die Rheinfälle.

Da ich schon am Freitagabend gepackt habe, gehts am Samstag bereits um 9:45 von zu Hause los. Eigentlich wollte ich mit der S-Bahn bis nach Neuenbürg fahren, weil ich die Strecke bis dahin inzwischen zur Genüge kenne. Allerdings braucht die S-Bahn für diese Strecke eine Stunde, genauso lange wie ich mit dem Rad auch. Also starte ich von zu Hause, nehme noch 4 hartgekochte Eier, eine halbe Salami und ein paar Brötchen mit -- der Kühlschrank ist nun leer.

Zunächst fahre ich die altbekannte Strecke im Pfinztal und nehme bei Gräfenhausen den Buckel nach Neuenbürg hinüber. Dann geht es das Eyach-Tal rauf, da es eine hübsche Landschaft ohne viel Autoverkehr verspricht. Das Tal ist wie erwartet schön zu fahren, aber an sonsten recht unspektakulär. Der Weg geht mit mäßiger Steigung bis zum Talende, dann gehts noch mal kräftig bergauf bis zum Kaltenbronn. Nun bleibe ich bis Besenfeld auf der Hochebene, um nicht unnötig Höhenmeter zu sammeln. Weiter gehts an der Nagold-Talsperre vorbei und bis Dornstetten hinauf. Dornstetten Dornstetten ist eine hübsche Stadt, mit einem von gemütlichen Marktplatz, vielen erhaltenen Teilen der Stadtbefestigung und hübschen alten Fachwerkhäusern. Zum Mittagessen habe ich bisher keine Gelegenheit gehabt -- hier schiebe ich nun richtig Kohldampf. Erst gibts Rippchen und Pommes von einem Imbißstand, dann noch ein paar Croissants und Kuchen vom Bäcker.

Hinter Oberitlingen geht ein Segelflieger in einer riesigen Staubwolke 100m vor mir auf einen frischgepflügten Acker nieder. Ich überlege schon, ob ich erste Hilfe leisten muss, sehe aber, dass der Pilot aus eigener Hilfe aus der Kanzel krabbeln kann. Freiwillig ist er dort jedenfalls bestimmt nicht gelandet.

Bei Oberndorf erreiche ich den Neckar. Blick über Oberndorf Hier komme ich zufällig an einem Minigolf-Platz vorbei, der eine freie Rasenfläche als Zeltplatz anbietet. Mit 4 EUR kommt man hier direkt am Radweg sehr schön unter. Leider spielt am anderen Neckar-Ufer laute Musik. Der 80er-Jahre-Musik nach hätte ich gedacht, dass die Omas und Opas sicher früh ins Bett gehen, aber es waren wohl doch Jugendliche, die bis weit nach Mitternacht durchgehalten haben. Mit Ohropax schlafe ich nicht besonders, aber wenn es sein muss...

125km, 7h Fahrzeit, 1700 Höhenmeter, sonniges Wetter

Tag 2: Richtung Schaffhausen

Der zweite Tag auf Tour ist bei mir immer der Katzenjammer-Tag. Am ersten Tag startet man voller Energie, fährt üblicherweise mit dem schweren Gepäck viel zu weit und zu lang, isst abends nicht genug, und kommt dann am nächsten Tag nicht in Fahrt. Heute wars wieder so: man fragt sich die ganze Zeit, warum man die schweren Packtaschen durch die Gegend wuchtet, und denkt an die vielen Bücher, die man schon immer mal lesen wollte, an die Computerspiele, die man nicht zuendegespielt hat, etc... Dazu kommt noch, dass die heutige Etappe relativ arm an Highlights ist. Aus dem Schwarzwald bin ich inzwischen praktisch raus, es ist aber immernoch ziemlich wellig.

Zuerst folge ich dem Neckar bis zur Quelle. Dabei komme ich durch Rottweil. Marktplatz von Rottweil Rottweil ist eine relativ große Stadt mit einer einlandenden Altstadt, in der ich erst mal in einem Lokal zu Mittag esse. Normalerweise vermeide ich es, Mittags in ein Lokal zu gehen, weil man dann vor einer Stunde nicht wieder rauskommt. Aber zum einen regnet es sowieso grade, und zum anderen hoffe ich, dass mich ein großzügiges Menü aus dem Formtief herausbringt. Interessanterweise war Rottweil voller Rottweiler. Im Stadion war wohl eine Hundeschau.

Nach Rottweil wird die Strecke den Neckar aufwärts noch langweiliger. Wenigstens hat der Regen aufgehört. Die gefasste Neckarquelle steht in Schwenningen. Viel interessanter als die Quelle ist jedoch das Schwenninger Moos, ein Hochmoor mit vielen abgestorbenen Bäumen und offenen Sumpfflächen. Schwenninger Moos

Danach geht es in der Nähe von Donaueschingen über die Donau hinüber. Die Landschaft ähnelt auf einmal unglaublich dem Harzvorland: man meint, jeden Augenblick die Gegensteine auftauchen zu sehen. Bis Schaffhausen habe ich keine Lust mehr. Mein GPS zeigt mir den nächsten Campingplatz bei Tengen an, den ich ansteuere. Der Platz ist mit 15 EUR (runtergehandelt von einer Pauschale von 23!) immernoch recht teuer; dabei interessieren mich weder Schwimmbad noch Wellness-Zone oder Kinderspielplatz. Wo ich schon mal hier bin, sehe ich mir noch die Burgruine Tengen an, und bestelle im Gasthaus erst mal eine ordentliche Portion Salat und Käsespätzle. Lustigerweise bestelle ich beim Falschen; es war der Hausmeister der hiesigen Grundschule, der mir dann auch das Essen rausbringt -- habe ihn wegen weißem Hemd und schwarzen Revers für den Kellner gehalten, und er hat gleich mitgespielt. Nachdem die richtige Bedienung den Irrtum aufklärt, spendiere ich ihm erst mal ein Bier als Trinkgeldersatz ;-)

Das heftige Gewitter am Abend wartete dann freundlicherweise, bis ich meine Zähne geputzt hatte und im Zelt verschwunden war.

90km, 5:30h, 1000hm, mal sonnig, mal regnerisch

Tag 3: Rheinfälle, Bodensee

Da es dauernd regnet, komme ich erst um 11:00 Uhr vom Zeltplatz in Tengen weg. Dafür bin ich ausgeruht, und es rollt wieder richtig gut. Tengen ist nur einen Katzensprung von den Rheinfällen entfernt. Rheinfälle Die Rheinfälle sind wirklich beeindruckend! Man nähert sich von der Burg Lauffen aus über eine Reihe von Aussichtsplattformen, die bis unmittelbar an den Fall heranführen. Der Rheinfall ist 150m breit und 23m hoch.

Weiter gings entlang des Rheins, mal durch die Schweiz, mal durch Deutschland. Man verliert wegen des unübersichtlichen Grenzverlaufs leicht die Orientierung, in welchem Land man sich grade befindet. Unbedacht mit dem Handy telefonieren sollte man hier besser nicht.

Die nächste Station ist Stein am Rhein. Stein am RheinDer Marktplatz von Stein ist von wunderschön bemalten Gebäuden umgeben; man möchte lange stehenbleiben und die Fassadengemälde betrachten. Mir wird allerdings die Zeit knapp: ich möchte nicht am Bodensee zelten, da ich viel Lärm und teure Plätze befürchte, und der Weg ins Schweizer Hinterland ist noch weit. Also kürze ich über Moos und Radolfzell ab. Von Radolfzell aus gehts dann den Bodensee-Radweg nach Konstanz. Der Radweg ist wirklich ausnehmend hässlich geführt: er verläuft entlang dichtbefahrener Straßen und ist auch bei dem regnerischen Wetter relativ dicht bevölkert. Dafür kann man mit einer dicken Regenwolke im Nacken ordentlich Tempo machen.

Konstanz ist eine schöne Stadt mit einer angenehmen Innenstadt und Fußgängerzone, wo ich mich für Abendessen und Frühstück mit Vorräten eindecke. Dummerweise fängt hier der Regen erst leicht, dann immer stärker an. Da am Horizont die ersten Höhenzüge auftauchen, habe ich trotzdem ein ziemliches Stimmungshoch. Ich fahre dann nur noch 25km über Nebenstraßen und winzige Dörflein bis zu einem kleinen Campingplatz in Leutswil. Es ist schon nach 20:00; ein Platzwart nirgends zu sehen. Ein netter Dauercamper ruft ihn für mich an und meldet mein Eintreffen.

118km, 6h, 1050hm, Morgens regnerisch, Abends Dauerregen

Tag 4: endlich Berge!

Heute ist der große Tag: es geht endlich ins Gebirge. Doch zunächst sehe ich mir Bischofszell an, weil das nur 5km Umweg bedeutet. Insbesondere das Rathaus ist wunderschön. Rathaus von Bischofszell Eine Einheimische, die mich ziellos herumschlendern sieht, macht mich erst darauf aufmerksam.

Weiter geht es über kleine Nebenstraßen und Waldwege bis St. Gallen. Kloster St. Gallen Der Ort ist insbesondere für seine Klosteranlage berühmt, hat aber auch eine sehr schöne Innenstadt. Hier werde ich bei einem Feinkost-Bäcker erst mal richtig Geld los: 3 Stücken Kuchen + Kaffee als 2. Frühstück und Mittagessen, sowie etliches Gebäck in den Packtaschen gebunkert. In der Schweiz wird die Brieftasche ziemlich rasch leichter, aber man bekommt auch etwas für sein Geld.

Nach St. Gallen gings über St. Georgen erst mal heftig bergauf. Die höchste Stelle war Speicher, von wo aus man einen gigantischen Blick aus 1000m Höhe auf den Bodensee hat. Blick von Speicher über den Bodensee Leider war es recht diesig, und begann gleich darauf wieder zu regnen.

Nach Speicher bin ich der MTB-Strecke über den Bergkamm gefolgt. Interessanterweise war das exakt die Route, die ich vorher als einzig mögliche in Google Earth ausgemacht hatte. Unterwegs bin ich einem MTB-Fahrer begegnet, der mich dreimal überholt hat -- ich kam mit GPS ganz gut zurecht, er hat sich öfters verfahren. Appenzell habe ich mir dann gespart; es hat geschüttet wie aus Eimern. Stattdessen habe ich mich lieber bei einem Bäcker an der Landstraße aufgewärmt, und ein paar Kalorien nachgelegt. Bei Eggerstanden wurde aus dem Regen dann schlagartig Sonnenschein, und ich hatte eine lange, serpentinenreiche Abfahrt ins Rheintal. Rheintal.

Unten gings dann entlang eines Nebenkanals des Rheins bis auf den Campingplatz in Buchs. Der Campingplatz ist klein, familiär und sauber. Einziger Nachteil: der Glockenturm von der Kirche nebenan, der auch die Viertelstunden schlägt. Hier bin ich zwei Reiseradlern begegnet; einem Mädel, das aus Paris kam und nach Salzburg weiter wollte, und einem Würzburger mit Ziel Italien. Der Würzburger hatte unglaublich viel Gepäck dabei; konnte sein Rad nicht mal anheben. Ich frage mich, ob er es damit über die Pässe schafft. Das Mädel wollte mit der Bahn weiter; ich konnte eine Portion Nudeln abstauben ;-)

90km, 6:00h, 1400hm, Vormittag trocken, Nachmittag anhaltender Regen, Abend trocken

Tag 5: Mein allererster Pass

Heute Morgen stelle ich verblüfft fest, dass mir eine Speiche im Hinterrad gebrochen ist. Zum Glück auf der dem Zahnkranz abgewandten Seite, sodass ich die Speiche leicht ersetzen kann, ohne etwas auszubauen oder Luft abzulassen. Die anderen Reiseradler sind angemessen beeindruckt, dass ich mein Rad in ein paar Minuten wieder einwandfrei fahrtüchtig habe ;-)

Dann fahre ich mit dem Würzburger erst mal das Frühstück einkaufen. Die Pflaumen im Coop sehen lecker aus. Da sie sich aber nicht gut transportieren lassen, besteht ein Großteil meines Frühstücks aus fast einem Kilo Pflaumen. Was ich nicht schaffe, wird an die Mitreisenden verfüttert.

Über Chur sagt mein Reiseführer 'Aufstrebende Stadt mit sprödem Charme', was ich als 'unansehnliche Betonburg mit angeschlossenem Industriegelände' übersetze. Ausserdem ist mir das Rheintal zu flach. Also fahre ich nur bis Bad Ragaz auf dem Rheindamm Rheintal vom Rheindamm aus, und biege dann in die Tamina-Schlucht ab. Der Anstieg ist auf den ersten 300 Höhenmetern unglaublich steil, größtenteils über 15%. In den Kurven muss man warten, bis kein Gegenverkehr ansteht, um auf der vollen Straßenbreite bei bis zu 20% Steigung um die Biegung zu schlingern. Ab Gassaura wird der Anstieg aber gut erträglich. Die Aussicht in das Tamina-Tal und auf den StauseeDer Stausee in der Tamina-Schlucht ist jedenfalls wunderschön! Bei Kunkels wird aus der Teerstraße ein Schotterpfad, bis man den Kunkelspass auf 1300m erreicht.

Bei der Abfahrt nach Tamis herunter bin ich froh, von Norden gekommen zu sein. Tunnel am Kunkels-Pass Weite Strecken bestehen aus grobem Schotter mit ca. 15% Gefälle. Ich mache mehrere Pausen, weil meine Felgen vom Bremsen kochendheiß werden.

Von Tamis aus geht es nun entlang kleiner Dörfer wie Rothenbrunnen, Paspels und Fürstenau vorbei. Die Strecke hat viele zusätzliche Höhenmeter, aber fast keinen Verkehr und viele Schlössern und Burgruinen zu bieten.

In Thusis übernachte ich dann auf dem dortigen Campingplatz. Der ist relativ teuer, und die Sanitäranlagen waren in keinem guten Zustand. Dafür macht der Koch dort wirklich leckere Rippchen. Ich unterhalte mich ein bisschen mit einem Reiseradler-Pärchen aus den Niederlanden, die morgen auch über den Splügenpass wollen. Die beiden scheinen tatsächlich weniger transportieren zu müssen, weil sie ja zusammen nur ein Zelt brauchen, und auch sonst einige Sachen gemeinsam nutzen können. Für mich besteht in solchen zufälligen Begegnungen der größte Vorteil von Campingplätzen. Überhaupt kenne ich da keine Rücksicht -- wenn jemand nach einem interessanten Gespräch aussieht, wird er gnadenlos von mir angequatscht ;-)

80km, 5:15h, 1300hm, leicht bewölkt und warm

Tag 6: Splügen-Pass

Heute morgen treffe ich zu unserer beider Verblüffung beim Zähneputzen den Würzburger wieder. Er ist durch Vaduz und über den Rheindamm nach Thusis gekommen. Wir fahren zusammen in Thusis erst mal Vorräte fassen. Danach (es ist etwa 11:00) trennen wir uns; er ist zu schwer bepackt, um gut voranzukommen.

Kurz hinter Thusis liegt die Via Mala Brücke über die Via Mala, eine unglaublich enge und tiefe Rheinschlucht, deren Boden man kaum sehen kann. Hier begegne ich zwei Reiseradlern, die in Konstanz gestartet sind und auch über den Pass wollen. Wir fahren locker zusammen bis Splügen -- einer der beiden ist Flachland-Fahrer, ich dagegen bummle immer wieder zum Fotografieren, darum überholen wir uns dauernd. Die Strecke bis Splügen ist anstrengend, und man sieht unten außer Bäumen nicht viel. Zu dritt konnten wir uns die Zeit mit gegenseitigem Überholen und Erzählen ganz gut vertreiben. In Splügen haben wir dann erst mal das Lebensmittelgeschäft am Markt geplündert.

Nun wirds ernst: rauf zum Pass. Nach ein paar Metern ist die erste Pause angesagt: Viehtrieb die Straße runter ins Dorf. Dann gehts die Pass-Straße in vielen Windungen und Schleifen hinauf. Serpentinen am Splügen-Pass Von Thusis nach Splügen war anstrengender als der Pass selbst, da die Pass-Straße eine wunderschöne Aussicht bietet, nur eine mäßige Steigung von 8-10% über 800 Höhenmeter hat, und das Ziel bald vor Augen ist. Die Straße selbst ist nur gering befahren. Der Pass selbst befindet sich auf 2100m Höhe.

Auf der italienischen Seite bieten die Wolken, die den Pass hinaufziehen, einen atemberaubenden Anblick. Abfahrt vom Splügen-Pass Aber es wird sofort kalt, wenn die Sonne verdeckt ist. Also heißt es warme Kleidung anziehen, die winddichten Regensachen obendrüber, Handschuhe an (um die mich meine Mitfahrer beneiden -- gut, dass mein Fahrradheini daran gedacht hat), und Bremsen los. In Italien ist die Passstraße nicht so perfekt eben und relativ dicht befahren. Aber bergab stört das nicht weiter, da man mit den Autos gut mithalten kann. Ausserdem wird man in den italienischen Tunneln naß. Die Bergflanken scheinen hier um einiges steiler zu sein: die Straße ist mit unglaublichen Schlenkern und Kehrtunneln an den Hang geklebt.

In der Abenddämmerung erreiche ich den Lago di Como, mein Tagesziel. Die Sonne wird schon von den gegenüberliegenden Felswänden abgehalten. Lago di Como in der Abenddämmerung Ich erreiche einen Zeltplatz von durchschnittlicher Qualität nördlich von der Verbindung zwischen Lago di Mezzola und Lago di Como.

97km, 6h, 1700hm, leicht bewölkt bis sonnig

Tag 7: Lago di Como und unteres Adda-Tal

Da ich niemanden zum erzählen habe, komme ich schon um 9:30 los. Auf dem Westufer des Lago di Como gibts nur eine vielbefahrene Schnellstraße. Das Ostufer hat jedoch eine gemütliche Uferstraße und versteckt den Verkehr in Tunneln im Berg. Auf dieser Straße bin ich erst mal bis Varenna gefahren, vorbei an netten Dörflein, Kirchen und Klöstern. Lago di Como Unterwegs habe ich im Supermarkt erst mal großzügig italienische Salami und Käse eingekauft -- allein das ist schon Grund genug für mich, nach Italien zu fahren.

Mein Tagesziel für heute ist Brusio, da ich unbedingt an die Rhätische Bahn will. Also kehre ich in Varenna um. Varenna.

Hinter dem Lago di Como halte ich mich an das Tal der Adda. Ich fahre jedoch nicht die SS38 im Tal, da sie mir viel zu stark befahren ist, sondern nehme die kleinen Seitenstraßen über die Dörfer. Adda-Tal Da gibts zwar Höhenmeter satt, aber kaum Verkehr und typisch italienische Dorfbilder mit Brunnen, an denen Frauen ihr Gemüse waschen, krumme Gassen, buckelige Sträßchen, verwitterte Klöster, und die schönere Aussicht. Zum Teil kommt man sich vor wie im Flugzeug. Ein paar km hinter Sondrio stelle ich leider fest, dass mir die Zeit knapp wird. Also muss ich notgedrungen von der tollen Strada Panoramica dei Castelli runter auf die im Feierabendverkehr dicht befahrene SS38. Der Verkehr ist unglaublich. Da die Straße eng ist, wird man auch von 40tonnern mit geringstem Abstand überholt. Dabei fühle ich mich aber nicht unbehaglich, da die Italiener warten, bis man sie durch seine Fahrweise zum Überholen einlädt, und dann langsam und vorsichtig überholen; ganz im Gegensatz zu Deutschland oder Österreich, wo die Autos mit Vollgas an einem vorbeischießen, wenn sie die kleinste Lücke sehen.

Hinter Tirano gehts erst mal kräftig bergauf. Ich will zwar nur bis zum Zeltplatz in Le Prese (von Brusio und Miralago aus ein Stückchen die Straße rauf), aber nach 100km und etlichen Höhenmetern in den Beinen wird das recht zäh. Glücklicherweise ist die Straße hinter Tirano bergauf kaum befahren, während sich bergab die Italiener vor dem Grenzübergang kilometerweit stauen.

Der Campingplatz in Le Prese, den ich mit dem letzten Tageslicht erreiche, ist wirklich schön sauber und ordentlich. Ich habe zwar in Tirano frisch eingekauft, esse aber trotzdem erst mal eine leckere hausgemachte Pizza im Campingplatz-Restaurant.

136km, 7:15h, 1400hm, heiß und sonnig

Tag 8: Wandertag

Heute will ich mal mit der Bahn und nicht mit dem Rad fahren. Eigentlich wollte ich ja mit der RhB über den Bernina und zurück, aber das ist mir letztendlich zu teuer. Ausserdem ist Samstag, und die Züge sind gedrängt voll. Also kaufe ich mir nur ein Ticket nach Cavaglia. In Cavaglia soll es einen Gletschergarten geben. Ich nehme mir meine Kamera und ein Buch mit, und beschließe einen Ausruh-Tag.

Die Gletschermühlen in Cavaglia sind wirklich sehenswert! Gletschermühlen Dabei handelt es sich um ehemalige Strudel von Schmelzwasserbächen, in die Felsbrocken geraten sind. Nach ein paar hundert Jahren ist das Ergebnis ein tiefes rundes Loch im Fels, an dessen Boden ein rundgeschliffener Felsbrocken liegt.

Dann laufe ich zu Fuß ins Tal zurück. Blick nach Poschiavo Da ich keine Karte oder sowas habe, weiß ich nicht worauf ich mich einlasse, sondern folge einfach den Wegweisern. Der Weg entpuppt sich als überraschend schön und abwechslungsreich. Man kreuzt vielfach die Bahnstrecke, es öffnen sich schöne Ausblicke ins Tal, man überquert kleine und größere Bäche, einmal sogar über eine schwankende Hängebrücke. Ich mache auf dem Weg nach unten ein paar mal Rast, lese ein paar Seiten und genieße die Sonne.

Zum Tagesabschluss kaufe ich mir noch ein Stück Linzertorte und ein Weißbrot (morgen ist Sonntag), und gehe in einem Restaurant in Le Prese essen.

Tag 9: Passo Torre di Fraelle, Passo di Alpisella

Ich will zwar über den Bernina, aber noch nicht so rasch. Zuerst fahre ich nach Brusio und warte am Kreisviadukt eine halbe Stunde auf die nächsten Züge. Kreisviadukt in Brusio Danach gehts runter ins Tal. Interessanterweise kann man den gleichen Zug locker sowohl auf dem Viadukt als auch in Tirano fotografieren -- der Zug bremst, auf dem Rad braucht man das bei der guten Straße fast nicht und kommt lange vor ihm in Tirano an.

Von Tirano aus geht es das Adda-Tal hinauf. Wieder gibts ausreichend kleine Nebenstraßen, um die SS38 vollständig meiden zu können. Allerdings sind viele Dörfer nun eher Refugien der reicheren Italiener; das Ergebnis sind viele große, moderne Häuser. Sehenswert sind die riesengroßen Flutrückhaltewehre der Adda hinter Le Prese. Hier bremst ein älterer Herr in einem klapperigen Fiat, als ich ihm freundlich zunicke, und lässt sich neugierig erzählen, wo ich herkomme und wo ich hinwill. Schade, dass ich kein Italienisch spreche!

Nun wirds interessant: um zum Passo Torre di Fraelle hinaufzukommen, darf man eine Serpentinenstrecke mit 20(!) Kehren hinauffahren. Anstieg zum Passo Torre di Fraelle An dem Berghang kann man mit Gepäck locker einen halben Nachmittag verbringen. Lohn der Mühe ist eine unglaublich schön gelegene Schotterpiste, die um die Stauseen Lago di Cancano und Lago di Giacomo herum und auf den Passo di Alpisalla hinaufführt. Am Passo di Alpisalla

An den Stauseen geht meine alte Ersatzbrille über die Klippe. Mit dem Kamerariemen vom Kopf gerissen, verschwindet sie auf nimmerwiedersehen im Abgrund. Glücklicherweise bin ich vorbereitet, und ziehe meine bessere Brille aus dem Gepäck.

Auf dem Pass sehe ich meine ersten wildlebenden Murmeltiere. Murmeltiere Putzige Viecher, die allerdings verschwinden, als ein Mountainbiker vorbeibrettert. Mich als Langsamfahrer haben sie wohl nicht recht Ernst genommen.

Vom Pass gehts nun runter nach Livigno. Die Strecke ist sehenswert; allerdings wird wieder das Tageslicht knapp, und ich muss mich beeilen. Unten nehme ich das erste beste, was wie ein Campingplatz aussieht. In diesem Falle bedeutet das, dass ich auf einem Stellplatz für Wohnmobile in einer Parklücke übernachte. Dass es weiter Talaufwärts sogar zwei richtige Campingplätze gibt, bemerke ich erst am nächsten Morgen.

95km, 7h, 2200hm, sonnig und warm

Tag 10: Passo Forcola di Livigno, Bernina-Pass

Gegen 9:45 komme ich von dem Wohnmobil-Parkplatz runter, und folge dem Tal aufwärts Richtung Forcola di Livigno. Es ist Montag, also kann ich wieder meine Vorräte aufstocken. Unglücklicherweise komme ich oft erst am späten Abend irgendwo an, und kann auch nicht wissen, ob ich dann eine preiswerte Gelegenheit zum Abendessen finde. Da die Geschäfte über Mittag geschlossen haben, bin ich praktisch jeden Pass mit randvollen Nahrungsmittelvorräten hochgefahren; ein paar Mal sogar mit einem durch Spannriemen obenauf befestigten Weißbrot.

Die Straße zum Forcola ist gut befahren. Im unteren Abschnitt gibts aber einen gut geteerten Radweg. Hinter Tresenda muss man jedoch auf die Straße. Die Pass-Straße führt ohne eine einzige Serpentine an den Berghang geklebt bergauf. Straße zum Forcola di Livigno Wegen der Galerien lohnt es sich nicht mal, das LED-Rücklicht auszuschalten. Oben ist es erstaunlich laut vom Gepfeife der Murmeltiere.

Hinter der schweizer Grenze geht es nur noch ein paar hundert Meter runter und wieder rauf zum 2330m hohen Bernina-Pass. Bernina-Pass

Ein bisschen unterhalb des Passes warte ich erst einmal wieder vor der Gletscherzunge des Morteratsch, bis ein Zug vorbeikommt. Die Züge der RhB sind wirklich schmuck; das Rot hebt sich ausgezeichnet vor dem Grau-Weiß der Berge und dem Grün der Wiesen ab! Morteratsch-Kurve

Das Tagesziel für heute ist der Campingplatz in Maloja. Dafür komme ich an St. Moritz vorbei, das nicht sehr sehenswert ist, sowie an den dafür sehr sehenswerten Seen Lej da Silvaplana und Lej da Segl. Lej da Silvaplana Um den See von St. Moritz sowie den Lej da Silvaplana kommt man auf der der Straße abgewandten Seite auf den ausgeschilderten MTB-Routen auch mit Gepäck ganz gut vorbei. Der Campingplatz in Maloja ist teuer, aber sehr ordentlich. Ich unterhalte mich ein bisschen mit Campern aus Pforzheim, die am See zum Surfen sind. Offenbar habe ich in der Schweiz eine ganze Menge schlechtes Wetter verpasst, während ich in Italien war.

76km, 5h, 1250hm, leicht bewölkt und warm

Tag 11: Julier-Pass

Der Tag startete mit Regenschauern. Ich habe mein Zelt dreimal außen trockengewischt, bis ich es endlich einpacken konnte, ohne dass mir eine weitere Husche dazwischenkam. Dann erst mal zum Maloja-Pass. Maloja-Pass Die Kurven finde ich harmlos, nachdem ich zum Torre di Fraelle rauf bin.

Am Pass kündigt sich die nächste Regenfront an; Zeit, wieder in die Regenklamotten zu schlüpfen. Regenwolken über Maloja Im Regen geht es dann die MTB-Strecke hinten herum um den Lej da Segl. Nachdem ich die MTB-Strecken um St. Moritz harmlos fand, war ich von dieser Route ziemlich überrascht: es war z.T. so steil, dass mir selbst Leute ohne Gepäck am Rad schiebend entgegenkamen, und es ging durch tiefe Schlammpfützen und Kuhweiden. Zum Glück riß oben erst einmal die Regenfront wieder auf.

In Silvaplana begann wieder der Regen. Egal, ich will zum Julier-Pass rauf. Das ziehe ich auch durch, als sich der Regen langsam in ein ausgewachsenes Gewitter verwandelt, das mir die Nässe waagerecht entgegenpustet. Oben am Pass gönne ich mir dann erst mal einen Kaffee und eine Suppe, und warte, bis der Regen lange genug aufhört, um ein Foto zu machen. Julier-Pass Oben begegne ich zwei italienischsprechenden Rennradfahrern, die gleich mir von Silvaplana aus durchs Gewitter gekommen sind, und sich ebenfalls erst mal an einer heißen Suppe wärmen.

Bis Tiefencastel geht es weit bergab; von 2284m auf 850m. Ich kaufe in Savognin erst mal ein -- ein Glück, dass mein Gepäck wasserdicht ist -- und fahre dann wieder über die Dörfer Salouf und Mon. Der Ausblick von Mon hinunter nach Tiefencastel ist atemberaubend schön. Unter mir Wolken, auf der eigenen Höhe nichts, über mir Wolken. Unglücklicherweise schüttet es aus den Wolken über mir, sodass ich kein Foto machen kann.

Ich fahre noch durch Tiefencastel bis Surava, dann komme ich an einem netten kleinen Hotel vorbei und beschließe spontan, dass ich für heute genug Regen hatte. Das Hotel zur Post ist wirklich empfehlenswert; preiswerte, saubere Zimmer und wirklich leckere Rösti, die ich hier zum ersten Mal probiere. Die Bedienung verrät mir später, dass sie viele Stammgäste haben, die jedes Jahr auf der Fahrt hin und zurück zu ihrem Urlaubsgebiet nur wegen der Rösti bei ihnen Halt machen. Überhaupt ist das Haus sehr freundlich und hilfsbereit; das Rad darf in die Garage, die Köchin tut meine Sachen im Wäschetrockner, und ich bekomme Zeitungen, um meine Schuhe zu trocknen.

70km, 4:30h, 1200hm, Dauerregen mit Gewitter, frisch

Tag 12: Albula-Pass

Der Tag startet mit Regenschauern. Daher lasse ich mir im Hotel mit dem Frühstück reichlich Zeit, und starte erst gegen 11:00 Uhr. Der Regen lässt bald nach. In Filisur warte ich eine Dreiviertelstunde unter dem Landwasserviadukt darauf, dass ein Zug vorbeifährt. Landwasser-Viadukt Gleich mir stehen noch zwei andere mit angelegten Kameras unter der Brücke. Die Landwasser ist vom vielen Regen angeschwollen und Lehm-gelb

Inzwischen fällt mir ein Schleifen an der Bremse und ein Klimpern der Speichen im Hinterrad auf. Da ich mir keinen neuen Speichenbruch einfangen möchte, lade ich auf dem Gemeindeplatz in Filisur erst mal ab und zentriere mein Hinterrad nach. Ich muss fast alle Speichen auf der Nicht-Zahnkranzseite um eine 1/3-Umdrehung nachspannen, so locker sind sie. Eigenartig, dass das Hinterrad mir auf einmal so viele Scherereien macht.

Der Weg zum Albula-Pass hinauf ist ein Traum. Es gibt so gut wie keinen Verkehr auf der Straße. Mir begegnet kein einziger Radfahrer, und nur sehr wenige Autos. Nachdem mir zwei Wanderinnen, die ich nach dem schönsten Weg frage, etwas von Bergrutschen und Gummistiefeln für die MTB-Strecke erzählen, bleibe ich auf der Straße. Eisenbahnen fotografieren macht hier viel Vergnügen: wenn man den Zug auf einem Viadukt oberhalb sieht, kann man bequem anhalten, die Kamera rausholen und schon mal auf das nächsttiefere Viadukt scharfstellen.

Der Pass selbst ist recht einsam, abgesehen von Murmeltieren. Albula-Pass Ich hätte beinahe eines überfahren. Das dicke Vieh hat seinen Bau direkt neben der Straße gebuddelt, und der Fluchtreflex verlangt ein sofortiges Rennen in den Bau, ohne nach links oder rechts zu schauen.

Auf der anderen Seite führt die Pass-Straße ins Inn-Tal hinunter. Hier folge ich der ausgeschilderten MTB-Route, die zwar einige Steigungen und Schotterpisten bietet, dafür aber wunderschön über Brücken, Bergrutsche und Geröllhalden entlang der Berge und am hier sehr tief eingeschnittenen Inn-Tal entlanggeführt ist. Eisenbahn-Viadukt am Inn In Zernez wird es dunkel, und es regnet schon wieder. Also beschließe ich, hier auf dem Campingplatz zu bleiben. Der Platz ist schön sauber, wenn auch nicht ganz preiswert.

66km, 5h, 1600hm, Morgens und Abends Regen, Mittags bedeckt, frisch

Tag 13: Ofenpass, Reschenpass

Ich stelle fest, dass ich noch mehr als genug Urlaub habe, um einen kleinen Umweg zu fahren. Also will ich heute den Ofenpass nehmen. Da es immer mal wieder regnet, habe ich bis 11:00 gebraucht, um das Zelt zusammenzulegen. In Zernez kaufe ich mir neben den üblichen Vorräten erst mal einen Zehnerpack 2cl-Fläschchen mit Obstbränden als Motivationshilfe. Dann im strömenden Regen den Ofenpass hinauf. Aufstieg zum Ofenpass Der Ofenpass besteht eigentlich aus zwei Pässen: zuerst gehts bis Ova Spin kräftig bergauf, dann zum Tunnel nach Livigno wieder hinunter, und wieder hinauf zum eigentlichen Ofenpass.

Die Straße selbst ist relativ langweilig. Sie führt zwar durch den Schweizer Nationalpark, aber ist bis kurz vor Passhöhe von dichten Nadelwäldern umgeben, sodass man relativ wenig Aussicht hat. Sowas bietet der Schwarzwald auch. Merkwürdig auch, dass der Ofenpass oben totenstill ist -- das übliche Gepiepe von Murmeltierkolonien fehlt. Vielleicht alle vom Braunbär gefressen. Wenigstens reißt oben die Wolkendecke auf, sodass ich ein Zielfoto machen kann.Ofenpass

Ehe man es sich versieht, ist man den Ofenpass hinunter und schon wieder in Italien. Allerdings sprechen in dieser Ecke (Südtirol) alle deutsch, und das typisch italienische Flair der Dörfer fehlt. Zum Ausgleich gibts in der Ecke zwischen Santa Maria und Malles eine Unmenge Klöster.

Ich folge dem Radweg nach Reschen, da mir die SS40 zu dicht befahren ist. Der Fernradweg führt über viele anstrengende Kilometer bis Alsagno eine 10% bis 15%-Rampe hinauf. Am Lago di Resia will ich es nochmal mit der SS40 probieren. Allerdings fahren die Österreicher hier wie die Henker, einmal hat sogar jemand im Gegenverkehr überholt und mich auf die Bankette gezwungen. Notgedrungen fahre ich also den Radweg weiter, der am anderen Ufer des Sees vorbeiführt. Lago di Resia Inzwischen ist wenigstens das Wetter so schlecht, dass ich den relativ schmalen Weg für mich allein habe -- bei Sonnenschein wäre da vermutlich kein Vorwärtskommen vor Ausflüglern.

Der Reschenpass selbst ist unspektakulär. Ein grasbedeckter Buckel an der Österreicher Grenze auf 1450m, mehr nicht. Bei Nauders finde ich den Zeltplatz nicht, der in meiner Karte eingezeichnet ist. Ein freundlicher alter Mann bietet mir seine Pension an. Ich sage erst zu; da die Wolken aufreißen, habe ich dann aber doch keine Lust auf eine Übernachtung unter Dach. Unglücklicherweise fährt der alte Herr nochmal an mir vorbei, als ich schon wieder Richtung Schweiz fahre. Angetrieben von purer Verlegenheit komme ich ziemlich schnell über die Höhe ins Inn-Tal :-)

Hier finde ich einen winzig kleinen Campingplatz an einem ebenso kleinen Schwimmbad in Strada. Ich bin der einzige Gast; erkundige mich erst mal bei ein paar auf der Wiese spielenden Kindern, ob das wirklich der Zeltplatz sei. Der Betreiber, ein älterer Herr, ist auch recht gesprächig; wir unterhalten uns über interessante Strecken, wo ich herkomme etc. Die Übernachtung kostet nur 8.20 SFR; meine preiswerteste in der Schweiz bisher.

In der Nacht werde ich wach, weil etwas am Zelt zerrt. Ich suche meine Taschenlampe, mache das Zelt auf, und was sehe ich: ein kleiner Fuchs ist unter das Aussenzelt gekrabbelt, hat die Tüte mit den Wurstpellen und Käserinden vom Abendessen geklaut und verspeist beides (einschließlich Tüte, die ich nicht mehr wiederfinde) in aller Seelenruhe kaum 2m vor dem Zelt. Besuch vom Fuchs Ich sehe ihm eine Weile zu. Da ich liege, scheint er mich nicht als Gefahr einzuschätzen; lässt sich auch vom Blitzlicht der Kamera nicht wirklich beeindrucken. Der Betreiber meint später, der Fuchs wäre schon öfters dagewesen, und wisse offenbar, wie man mit Zeltern umspringt.

94km, 6h, 1750hm, regnerisch und kühl

Tag 14: Flüela-Pass

Ich verabschiede mich vom Zeltplatz-Betreiber, und fahre das Inn-Tal rauf. Da es recht frisch ist, beschließe ich, die in der Morgensonne liegende und nur mäßig befahrene Straße zu nehmen. In Ramosch folge ich einem Wegweiser, und strample bestimmt 100hm rauf, um in einem unglaublich teuren Volg-Supermarkt einzukaufen. Das ganze Dorf scheint nur aus Gästehäusern und Pensionen zu bestehen, da kann sich der Markt solche Preise wohl erlauben. Bis Scuol bleibe ich zunächst auf der Straße. Scuol ist eine reizende kleine Stadt. Scuols über dem Inn Sehenswert sind die Kirche auf einem Felsen hoch über dem Inn, die beiden Brücken über den Inn, und die Häuser, die mit aufwendigen Putz-Ritzungen geschmückt sind.

Hier probiere ich nochmal die MTB-Strecke auf der anderen Inn-Seite. Die ist mir jedoch zu steil -- ich kehre nach 100m um und beschließe, auf der Straße zu bleiben. Auf der Straße begegnen mir eine ganze Menge Reiseradler, die überwiegend Inn-abwärts fahren. Die Strecke ist wohl eine reizvolle Möglichkeit, ohne große Steigungen die Berge zu sehen. Für mich wäre das aber nichts; wenn ich Berge sehe, will ich da auch rauf.

In Sus, am Eingang der Flüelapass-Straße, begegne ich am Brunnen einem Reiseradler aus Freiburg, der auch über den Pass will. Wir unterhalten uns ein bisschen und beschließen, den Pass gemeinsam raufzufahren. Der Freiburger hat ähnlich viel Gepäck, aber eine größere Minimalübersetzung. Daher fährt er die Berge ein Stück schneller rauf als ich -- ich kann zwar gut mithalten, hätte aber mehr gebummelt. Zum Ausgleich überlasse ich ihm die Position im eiskalten Gegenwind vor mir :-)

Auf der Pass-Straße hat man eine wirklich herrliche Aussicht über den Pass und in die Seitentäler. Aussicht von der Straße zum Flüela-Pass Allerdings ist der Gegenwind oben wirklich eiskalt. Wir stärken uns oben erst mal an Kaffee und Bündner Nußtorte, ganz egal welche Preise verlangt werden. Nach dem obligaten Zielfoto gehts mäßig steil nach Davos herunter. Man braucht fast überhaupt nicht bremsen, da fast alle Kurven gut einsehbar und gut ausgebaut sind.

Der Freiburger hat kein Zelt dabei, sondern übernachtet am liebsten bei Bauern in der Scheune (s. http://www.schlaf-im-stroh.ch). Da hänge ich mich gern an. Die Scheune steht bei Frauenkirch, ein Stückchen hinter Davos, und ist zum Teil als Matratzenlager ausgebaut. Es ist schön sauber und ordentlich, und die Scheune hält den Wind ab. Kalt ist es aber trotzdem. Wir vernichten unsere in Davos gekauften Essensvorräte und eine Pulle Rotwein, und kriechen in die Schlafsäcke.

75km, 5h, 1600hm, gelegentlicher Nieselregen, kalt

Tag 15: Abfahrt ins Rheintal, Liechtenstein

Zum Frühstück gibts leckere selbstgemachte Erdbeermarmelade von der Bäuerin. Die Übernachtung kostet mit 25SFR auch nicht sehr viel mehr als einige der teureren Zeltplätze + Frühstück. Ich nehme einen Katalog mit; wahrscheinlich probiere ich das auch mal aus.

In Davos ist es lausig kalt. Ich freue mich auf wärmere Regionen, und der Freiburger hat auch ein Ziel am Rhein. Also nehmen wir den Wolfgangpass (den man von Davos aus gar nicht bemerkt, der aber von Landquart aus einen 1200m hohen Anstieg bedeutet) nach Landquart hinunter. Hier muss irgendeine Oldtimer-Rallye stattfinden, wir sehen häufig auf Hochglanz polierte alte Autos die Straße hinaufkeuchen, mit z.T. langen Staus dahinter :-)

Die Straße ist stark befahren. Bergauf hat man an dieser Route keine Freude, aber bergab geht es. Zumal die Autos auch keine gewagten Maneuver riskieren, wenn man zu zweit radelt.

Bei Schiers gibts so viele Wegweiser auf das "World Monument Salginatobelbrücke", dass wir nicht wiederstehen können und die Höhenmeter in Kauf nehmen. World Monument Salginatobelbrücke Die Brücke ist eine der typisch eleganten Konstruktion des Stahlbeton-Pioniers Robert Maillart, die bereits 1930 gebaut wurde. Ihr Alter sieht man der Brücke absolut nicht an; man ist aber verblüfft, so eine elegante Konstruktion mitten im Nirgendwo bei einem so winzigen Nest zu finden.

Im unteren Teil führt der Weg nach Landquart nicht mehr über die 28, sondern über die alte Landstraße: man ist aus dem zunehmend dichter werdenden Autoverkehr heraus, und fährt gemütlich entlang des Flusses Landquart.

Ein Stückchen hinter Landquart (der Stadt) trenne ich mich vom Freiburger. Ich möchte nach Liechtenstein, um dieses Land mal gesehen zu haben, er hat eigene Pläne. Liechtenstein ist ganz nett, aber bietet nichts, was man nicht auch schon anderswo gesehen hätte. Schloss Vaduz thront hoch über der gleichnamigen Stadt in der Rheinebene. Schloss Vaduz An sonsten hat Liechtenstein viele teure Autos, teure Läden und viele steile Straßen zu bieten.

Ich fahre noch eine Runde durch das hübsche Werdenberg mit seinen bemalten Holzhäusern Werdenberg. Danach nehme ich den Campingplatz in Buchs, den ich bereits kenne. Hier treffe ich ein Rentner-Ehepaar aus Magdeburg, meiner alten Heimat, welche mit ihrem Campingbus schon seit fast einem halben Jahr auf Tour sind. Eine prima Gelegenheit, um Erinnerungen auszutauschen, und Kaffee und Kuchen zu schnorren ;-)

Ausserdem treffe ich zwei junge Schweizer, die zu Fuß unterwegs sind. Jeder von den beiden schleppt 17kg -- eine ganze Menge, wenn man in die Berge will. Wir tauschen Obstbrand gegen Bier, und erzählen ein bisschen, wo wir herkommen und was wir noch vorhaben.

97km, 5h, 700hm, auf 1600m lausig kalt und regnerisch (Schneefallgrenze!), unten im Tal angenehm

Tag 16: Wildhauspass, Toggenburg

Wegen der Temperaturen beschließe ich, weiter unten zu bleiben. Das Toggenburg (Hochgebirgstal entlang der Thurn) kenne ich noch nicht, also nehme ich die 16 ab Buchs in Richtung Westen. Zuerst geht es 600hm hinauf auf den Wildhauspass in 1090m Höhe hinauf. Oben beginnt dann eine sehr lange, weit geschwungene Tal-Landschaft mit reichlich touristischer Infrastruktur, in der es im Wesentlichen bergab geht. Ich folge der dicht befahrenen 16 über Nesslau und Wattwil. Hier verliert die Landschaft langsam ihren Gebirgscharakter und ist nur mehr wellig. Landschaft bei Wattwil

Ab Ebnat-Kappel sind etliche Teile der 16 für Radfahrer verboten; stattdessen wird man über Seitenstraßen und Ortsdurchfahrten geführt -- die Routen sind aber ganz angenehm, machen mehr Spaß als die Schnellstraße.

In Wil höre ich dann ein noch nie gehörtes Schleifgeräusch. Ich halte an, und stelle erstaunt fest, dass ich meine Hinterradfelge durchgebremst habe. Das Ergebnis sind ein langer Riß in der Felgenflanke und eine große Beule, wo sich die Flanke nach außen wölbt. Nun wird mir auch klar, wieso ich in den letzten Tagen einen Speichenbruch hatte und kräftig nachzentrieren musste: die Felge gab langsam nach. Ich frage mich nur, wieviel die Abfahrten im Regen zum Verschleiß beigetragen haben, bzw. ob die Felge schon bei Beginn der Tour nahezu verschlissen war und besser ausgewechselt worden wäre.

Felgenbruch

Jedenfalls freue ich mich, dass mir diese Panne weniger als 500m vom nächsten Bahnhof entfernt passiert ist. Ich lasse Luft ab, um die Felge zu entlasten, und rolle zum Bahnhof in Wil. Nach Konstanz wären es nur 30km Luftlinie; mit dem Zug muss ich dagegen erst einen großen Umweg über St. Gallen und Romanshorn fahren. Nach etwas weniger als 6 Stunden bin ich wieder zu Hause in Karlsruhe.

Nachtrag: zu Hause stelle ich fest, dass die Felge nicht durchgebremst ist, sondern an Materialversagen gestorben ist. Die Flanke hat noch beinahe 1mm Fleisch, allerding ist die Schweißnaht am Felgenstoß gebrochen.

70km, 4h, 900hm, leicht bewölkt bis sonnig, mäßig warm

Zusammenfassung

Insgesamt bin ich in den 16 Tagen 1378km unterwegs gewesen, bin dabei 20600 Höhenmeter gefahren und habe 86h im Sattel verbracht. Interessanterweise entspricht mein Tagesschnitt dabei durchaus meinen üblichen Schwarzwaldtouren; man startet in den Alpen etwas höher, aber fährt durchaus nicht mehr Höhenmeter zusammen. Ich habe am Tag umgerechnet etwa 33 EUR gebraucht. Das ist deutlich mehr als mein üblicher Schnitt für Italien oder Deutschland mit ca. 25 EUR/Tag. Der Grund sind nicht nur die teuren Campingplätze, sondern auch die Tatsache, dass ich die Preise in den Läden nicht kenne. Wenn ich einen lecker aussehenden Käse oder Gebäck verlange, kann ich durchaus das teuerste Stück erwischen.

Wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte, wäre ich gern noch ein paar Tage in der Schweiz geblieben. Allerdings war es mir zuletzt doch etwas zu kalt. Regen stört mich weniger als Kälte, weil man bei Regen immernoch draußen campieren kann, man bei eisigem Wind jedoch draußen rasch auskühlt.

Viele schöne Stellen im Gebirge sind nur zu Fuß zu erreichen. Bzw. braucht man eine bessere Vorbereitung, um herauszufinden, ob einzelne Wege auch mit dem Rad zu bewältigen sind. Zumindest sollte man sich eine Karte besorgen, in der die Velo- und MTB-Routen dargestellt sind. Unterwegs findet man meist nur Wegweiser mit der Nummer der Route, aber nicht mit dem Ziel im Klartext.

Insgesamt hat der Urlaub wirklich Spaß gemacht. Ich habe mich keinen Tag gelangweilt. Die meisten Pass-Straßen sind wirklich schön. Die folgenden Pässe habe ich gesehen (in chronologischer Abfolge):

Würde ich die Tour nochmal fahren, würde ich allerdings Ofenpass und Reschenpass auslassen, die sind relativ langeweilig. Wenig spektakulär sind auch Wolfgang- und Wildhaus-Pass, aber man muss da drüber, um auf die wirklich schönen Straßen zu kommen. Einen Favoriten kann ich unter den anderen Pässen nicht ausmachen, die waren alle einzigartig und jeder für sich wunderschön. Bis auf den Kunkels-Pass und den Passo di Alpisella ließen sich alle Pässe relativ entspannt fahren, da die Straßen relativ gemäßigte Steigungen aufweisen und gut geteert sind. Von den Straßen-Pässen war noch der Flüela am anstrengendsten, weil er eine ganze Menge Rampen mit um die 11% hat.

Erfahrungen mit dem Zelt Vela Exped Extreme

Ich bin diese Tour das erste Mal mit dem Vela Exped Extreme unterwegs gewesen. Vorher kannte ich nur ein Roben Summerwind; ein Einhüllen-Sommerzelt. Das erschien mir jedoch für die Alpen ungeeignet, da es darin bei Wind durch die umlaufenden Lüfter zieht, und bei starkem Regen Schlamm und Wasser durch die unteren Lüfter hindurchspritzen. Das Vela Exped ist ein Einmannzelt mit einer doppelten Hülle. Als Besonderheit besitzt das Außenzelt keinen Reißverschluss, sondern wird über den Gestängebogen nach oben aufgerefft.

Innen ist das Zelt relativ eng, aber auch für jemanden mit 1.96m Länge durchaus ausreichend. Jedenfalls wenn man sich damit arrangieren kann, dass die Zeltdecke vom Innenzelt 10cm über der Nasenspitze hängt. Durch das geringe Luftvolumen wird es dafür aber auch rasch warm im Inneren, selbst bei eiskaltem Wind.

Das Zelt ist mit einer langen und zwei kurzen Stangen sowie zwei Häringen rasch auf- und abgebaut. Das Packmaß ist verblüffend klein: man kann das Zelt auf 25x15cm Durchmesser zusammenrollen, und hat dann noch ein Täschchen mit den Stangen und zwei Häringen. Damit passt es zusammen mit einer ThermaRest-Isomatte in einen Ortlieb-Frontroller, und lässt noch Platz für ein paar Regensachen.

Allerdings bin ich von dem Zelt nicht uneingeschränkt begeistert. Zum einen ist das richtige Abspannen eine Kunst. Da das Außenzelt nicht an das Innenzelt geraten darf, sich bei Nässe und Temperaturveränderungen jedoch anders ausdehnt und zusammenzieht als das Innenzelt, brauchts einige Übung, um das Zelt richtig zu spannen. Ausserdem sind die Lüfter zumindest für einen Vielschwitzer wie mich unterdimensioniert: gelegentlich habe ich Kondenswasser im Innenzelt beobachten können. Das Reff im Außenzelt ist morgends problematisch. Man kommt praktisch nicht aus dem Zelt, ohne vorher das Außenzelt und insbes. die Apsis von innen trockenzuwischen, anderenfalls wird man beim Aussteigen am Rücken klatschnass. Konstruktionsbedingt reicht das Außenzelt auf der dem Ausstieg abgewandten Seite bis auf den Boden herunter. Ich hätte dort gern 10cm Luft bis zum Boden, damit morgends nicht gar soviel Kondenswasser unter dem Außenzelt hängt.

Bei Regen stört, dass man kein Fenster zum hinausblicken hat. Zieht man das Reff auf, werden die Gepäckstücke unter der Apsis naß. Also sitzt man drinnen, starrt auf eine grüne Wand, und wartet, dass das Trommeln auf der Plane aufhört. Zumindest bei meinem Zelt waren die Nähte im Außenzelt ausserdem nicht gedichtet! Es hat also aufs nicht wasserdichte Innenzelt getropft. Aber das halte ich für ein Versehen; werde das Zelt bei der nächsten Gelegenheit reklamieren.

Insgesamt bin ich mir nicht sicher, ob ich das Zelt wieder kaufen würde. Aber es ist zusammengelegt schön kompakt, und erfüllt -- jedenfalls mit gedichteten Nähten -- seinen Zweck.